;»8 Buch III. Allgemeiner Theil der Politischen Geographie.
die Bedürfnisse des ackerbauenden Menschen, und die feste Wohnung lädt
von selbst zur Beschaffring eines reicheren, beweglichen Besitzes ein. An¬
fangs verschafft sich der Mensch alle diese Dinge noch selbst, wie z. B. der
schwedische Bauer noch heute sein Eisengerät sich aus Eisen herstellt,
welches er selbst aus den Erzen schmilzt, seine Kleidung selbst webt und
näht, sein Haus selbst zimmert. Bald aber, namentlich da, wo die Be¬
völkerung dichter wird, tritt eine Theilung der Arbeit ein, die Industrie
trennt sich vom Ackerbau. Zuerst geschieht das in kleineren! Maßstabe,
bald aber sammeln sich die einzelnen Industrien an besonders dazu ge¬
eigneten Localitäten: cS entstehen Jndustriebezirkc und Industrieländer.
Damit sind zugleich die Anfänge des Handels gegeben, der anfänglich
nur dazu bestimmt ist, die Industrieländer im Austausch ihrer Erzeug¬
nisse gegen die Producte des Ackerbaus mit Nahrung zu versorgen, bald
aber größere Dimensionen annimmt, indem er den Jndnstricbezirken Roh¬
stoffe ans freindcn Ländern zuführt! So verwebte z. B. Eirgland ur¬
sprünglich nur einheimische Wolle; setzt aber holt der Handel nicht bloß
aus allen Erdtheilen diesen Webestoff herbei/ sondern daneben noch die
dem Lande ursprünglich fremde Baumwolle. So verknüpft der Handel
die fernsten Länder und trägt, jemchr er sich ausbreitet, dazu bei, daß
die Menschheit sich als eine große Völkerfamilie mit gemeinsamen Inter¬
essen ansehen lerne. Was das Christenthum aus religiösen Beweggründen
von uns verlangt, die Anerkennung der Menschheit als einer Gesell¬
schaft, dahin führt auch der in unseren Tagen durch Benutzung der
Raum und Zeit fast'vernichtenden Kräfte des Dampfes und der Elektri¬
cität sich so wunderbar rasch steigernde Völkerverkehr und Handel, von
dessen immer enger die Völker und Individuen verflechten den Beziehungen
in Verbindung mit der Ausbreitung des Christenthums wir dereinst die
Zeit herbeigeführt sehen, wo Friede auf Erde und Gott in der
Höhe die Ehre sein wird.
§. 31. Die verschiedenen Staatenbildungen und Gesell¬
schaftsformen der Erde. Ursprünglich waren alle Menschen gleich
frei, und bei den Völkern auf untersten Stufen der Cultur, bei Sam-
mel-, Fischer- und Jägervölkern ist das noch der Fall. Aber bei den
Völkern mit Eigenthum lag die Versuchung nahe, auch den Menschen
selbst als ein Eigenthum und eine Waare zu betrachten, und so ent¬
wickelte sich die Sklaverei. Wir finden sie im allgemeinen bei Hirten¬
völkern, z. B. den Beduinen, den Mongolen, nicht, wohl aber bei solchen
Hirtenvölkern, welche im Uebcrgange zum seßhaften Leben begriffen sind,
z. B. bei den Patriarchen des alten Testaments, welche für sich selbst in
Städten müssig lebten, aber ihre Heerden durch ihre „Knechte" in der
Wüste hüten ließen. Verbreiteter aber wird die Sklaverei bei den acker¬
bautreibenden Völkern. Sie tritt hier besonders dann auf, wenn das
Volk sich fremde Länder, die schon von einer ansässigen Bevölkerung be¬
wohnt waren, erobert hat. Da gewährt die Einführung der Sklaverei
dem erobernden Volke oft die Mittel, seine eigenthümliche Cultur und
Volksthümlichkeit zu bewahren und weiter zu entwickeln. So ist z. B.