vorgeschlagenen Kanons auswendig zu lernender Gedichte.
441
Ein Gang ums Tor.
Von Rudolf Hagenbach.
1. Ich nehm' mir alle Tage vor,
Ein kleines Stück zu wandern,
Und wär's auch nur von einem Tor
Bis wieder zu dem andern
2. So wandert' gestern ich allein
Erst über grüne Auen;
Da spielten frohe Kinderlein,
Recht lieblich anzuschauen.
3. Sie suchten Blumen in dem Gras,
Je bunter, desto lieber.
Die schöne Kinderzeit ist das,
Dacht' ich und ging vorüber.
4. Am Gärtchen kam ich dann vorbei
Mit seinen Rosenlauben,
Und flüstern hört' ich ihrer zwei
Von Liebe, Treu' und Glauben.
5. Verraten will ich wahrlich nicht,
Ihr Lieben, euer Kosen.
Ein fühlend Herz, ein froh Gesicht,
Es ist die Zeit der Rosen!
6 Zum reifen Felde kam ich dann,
Mit voller, brauner Ähre,
Und von der Stirn der Schnitter rann
Der Schweiß, der saure, schwere.
7. Das ist, so fiel es mir aufs Herz,
Das ist die Zeit der Mühen;
So muß des reifen Mannes Erz
Im Feuerosen glühen.
8. „Noch fleißig?" rief ich ihnen zu,
Mit heiterm Gruß sie labend.
„Herr," sprachen sie, „es geht zur Ruh',
Bald ist es Feierabend!"
9. Und eben senkt der letzte Strahl
Der Sonne sich hernieder,
Noch einmal leuchtet aus dem Tal
Die milde Landschaft wieder.
10. Da langt' ich bei dem Friedhof an
Mit seinen süßen Schauern,
Daneben stand mir aufgetan
Die Stadt mit ihren Mauern.
Petrus.
von Gottfried Kinkel.
Domina, quo vadis?
Venio Herum cruciflgl.
1. „Weil verstockt der Jude Simon Romas Götter hat geschmähet,
Weil verbotnen Bund er stiftet, Zwietracht in die Geister säet,
Weil er einen Missetäter aller Reiche König glaubt:
Geb' ich morgen preis dem Volke an dem Kreuz sein frevelnd Haupt."
2. Kaiser Nero hat's gesprochen. Petrus kniet zu Nacht im Kerker;
Betend wächst des Greises Glaube, Himmelssehnsucht regt sich stärker.
Morgen wird das Wort erfüllet, das der Herr prophetisch sprach:
„Fremde Hand wird einst dich gürten; Simon, folge dann mir nach!"
3. Da — welch leis' vorsichtig Klopfen? Durch die Riegel ächzt die Feile,
Und die alte Pforte weichet vor dem eingeklemmten Beile —
Wird's zu lange dem Tyrannen? Sendet er die Schlächter schon?
Stein, es spricht ein kühnes Wagstück seinem tollen Wüten Hohn.
4. Freunde sind's! Die Christen lagen im Gebet an heil'ger Stätte,
Daß den alten treuen Diener noch einmal der Herr errette.
Doch umsonst Gebet und Zähre! Diesmal, ach, kein Engel naht —
Da beschließen drei der Kühnsten frisch auf eigne Hand die Tat. Georg-Eckert-Institut
für inte'",?*tanale
Schulbuchs crschung
it Brou*'.sc*ivi/0ig
SchulbuchbibliotheK