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übrig; Gokelmann hieß der ältere und Hähnel der jüngere.
Beides waren muntere Burschen, keck, eitel und streitsüchtig, wie
man es von jungen Hähnen nur verlangen kann; aber der
Gokelmann hatte eben nicht das Pulver erfunden, während sein
Bruder Hähnel schon gescheiter war. Beißen mußten sie sich
täglich ein paarmal, denn bei Hühnern gehört das zur guten
Lebensart. Nun wohnte auch noch auf demselben Hof ein rot¬
haariger Hund, Phylax mit Namen; der war ein so gutmütiges
Tier, daß er den Hühnern nie etwas zuleide tat. Oft ließ er
ihnen sogar manchen guten Bissen von seinem Fressen übrig;
daher hatten sie ihn denn auch alle gern.
Eines Morgens spazierte einmal der Gokelmann ganz ge¬
mütlich für sich allein in dem großen Garten hinter dem Hause.
Da wußte er ganz hinten am Ende des hölzernen Zaunes einen
prächtigen hohen Misthaufen, auf den er für sein Leben gern
hinausflog. Wie stolz und majestätisch kam er sich da oben vor,
wie krähte es sich da so hübsch über die weiten Felder hin!
Auch heute war sein erster Gang zu dem Haufen dort. Wie
er nun so im besten Scharren und Kratzen und Krähen war,
sah er am Wasser hinter dem Zaune Meister Reineke, den
Fuchs, liegen, der rührte und regte sich nicht und schaute
fortwährend eifrig nach dem Ufersande hin. Gokelmann hatte
wohl schon oft in seinem Leben von dem bösen Hühnerdiebe
gehört, aber nie einen gesehen, und weil nun der Fuchs rot¬
haarig war und auch sonst viel Ähnlichkeit mit einem Hunde
hatte, redete er ihn an und rief: „Du da, bist du nicht ein
Bruder von unserm Phylax?"
Der Fuchs, der schon lange den appetitlichen jungen Hahn
da oben gewittert hatte, dachte: „Warte, dich will ich schon fassen,
wenn ich dich nur erst hier habe!" Er blieb ruhig in seiner
Stellung liegen und tat, als ob er nichts gehört hätte. „Du da,
bist du nicht der Bruder von unserm Phylax?" rief das Hähnchen
noch ein paarmal mit immer lauterer Stimme. „Ach, sieh da,
liebster Gokelmann!" sprach endlich der Schlaue und richtete