Zerstreuung des jüdischen Volkes.
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nach Ermordung von 580000 Juden, nach Eroberung von 50 Bur¬
gen und 985 ansehnlichen Ortschaften mit der Verödung Judäa's
endigte. Von nun an war es den Juden verboten, in Jerusalem zu
wohnen, kaum daß sie gegen eine bedeutende Abgabe einmal im
Jahre nach der Stadt ziehen dursten, dort zu weinen und zu
klagen. Heimathlos irrten sie seitdem über die Länder der
Erde, ein lebendes Denkmal der Gerechtigkeit Gottes und der
Wahrheit der Prophezeihungen des alten und neuen Bundes.
H. 4.
Die Christenverfolgungen bis zu Constantin dem Großen.
1. Gründe, weßhalb die Römer das Christenthum verfolgten.
Während sich diese furchtbaren Gerichte über das seinen
eigenen Sünden preisgegebene jüdische Volk entluden, hatte sich
für die Christen, theils weil sie den Kaisern göttliche Ehren
nicht erweisen konnten, theils wegen angedichteter Verbrechen
eine Periode bald stärkerer bald schwächerer Verfolgung eröffnet.
Für die Heiden war es zwar ebenso gleichgültig, ihre Göt¬
ter durch einen neuen und sterblichen, etwa einen Claudius
oder Caligula zu vermehren, oder sie sammt und sonders zu
verhöhnen. Allein, daß jetzt immer zahlreichere Gemeinden, ge¬
stützt auf eine Wahrheit, die der Philosophie und der Vernunft
zu widersprechen, oder doch unbegreiflich schien, sich einem an¬
dern Cultus, ja einer andern Lebensweise ohne Ausschweifung,
ohne Entsittlichung hingaben, erregte einen furchtbaren Haß
wider sie. Sie hätten so schlecht seyn dürfen als möglich, das
stand im römischen Reich Jedem frei; allein sich zur Anbetung
des wahren Gottes zu vereinigen, schien todeswürdig zu seyn
und gab zu den abgeschmacktesten Verläumdungen in Betreff
ihrer Sittlichkeit Anlaß, die begierig geglaubt wurden, um wt{
nigstens einen Vorwand zur Vertilgung der Verhaßten zu er¬
langen. Und da sie nun einmal als Feinde der Staatsreligion
angesehen wurden, machten es sich eben so bessere als schlechtere
Kaiser zur Pflicht, zum Theil die qualvollsten Todesarten über
sie zu verhängen.