Full text: Der neueren Geschichte zweite Hälfte enthaltend (Bd. 4, [Schülerbd.])

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richS II. Erklärungen über seine Absichten noch alle Besorg¬ 
nisse nider. 
In Polen war eine Partei, welche die feste Ueber¬ 
zeugung gefaßt haste, daß in dem geselschaftlichen und 
politischen Zustande der Nation eine Umgestaltung eintre¬ 
ten müße. Es war die czartoryskischc, welcher auch als 
nahe verwandt das Haus Poniatowski angehörte. Diese 
Partei durfte zunächst auf Förderung ihrer Absichten durch 
Preussen und Russland rechnen. Eine andere Partei, wel¬ 
che den bestehenden Zustand zu erhalten wünschte, hatte 
den Krongroßfeldherren Branicki an ihrer Spitze; sie hatte 
noch alte Beziehungen zu Frankreich, und dachte durch 
Branicki's Erhebung auch den russischen und preussischen 
Intentionen genug zu tun. Eine dritte, auch conservative, 
aber unter dem nideren Adel noch populärere Partei war 
die des Fürsten Karl Radziwill, welche sich von russischem 
Einflüße ganz loß zu reißen suchte. — Als es zum Eon. 
vocationsreichstage, welcher dem Waltage vorausgehen 
muste, kam, im Früjahre 1764, stunden noch 10,000 
Russen im eigentlichen Polen, 2000 im polnischen Preus¬ 
sen; die Czartoryskys und ihre Anhänger allein hatten an 
6000 M. Haustruppen in und bei Warschau. Der Pri¬ 
mas verlangte die Entfernung der bei Warschau zum Teil 
aufgestelten russischen Truppen, und der czartoryskischen 
und branickischen Haustruppen. Es war aber vergeblich. 
Ein furchtbar stürmischer, schon bald nach seinem Beginne 
in unregelmäßigen Formen verlaufender Reichstag folgte'); 
•) Tic dt. ÏM). ©.■)!.: „Tcr itlie Landdolen-Marschal Malachowêki mukte erst 
herbeigeholt werden. Truppen jeder l'art«, seihst rite Russen, erfülten hie für Mt 
Zuschauer bestirnten Gallerien. Sic saßen, gegen aste« Herkommen, sogar aus Mit 
hintersten der für die Landbotcn bestimten Bänke. E« war de« Marschais Pflicht ge¬ 
wesen, diesen Unfug rechtzeitig zu verhindern; auch er hatte die Freiheit der Bera¬ 
tungen verloren gegeben. IIS die Eigung beginnen feite st flirte MokranowSki als 
handbotc von Krakau auf Grund de« von ihm mit unterzeichneten Manifestes idaß 
die Freiheit der Beratungen unter den odwaitrnden Umständen gefährdet sei) die Be¬ 
ratungen. Sogleich bligcn Sädel, man siht gespante« Schießgewer im SihungSsalc. 
Mehrere Parteihäupter werfen stch MokranowSki zu Füßen. Mit einer ruhig bittern 
Entgegnung stößt er den Säbel in die Scheide. Man stell di« Ruhe wider her. Aber 
MalachowSki verweigert den Stab, da« Zeichen seine« Amte«, Wider zu erheben. 
Ter d-nddote von Krakau behalt auf seinem Einsprüche; der Tumult erneuert sich; 
man dringt auf ihn ein. Mit seiner wundersam imponirenden Haltung stell er stib 
den wütenden entgegen: „Schlagt zu, spricht er, frei wil ich sterben!" und dann: 
,,S» macht e« nur kurz!" Ter Moment entscheidet. Tie Wut der Menge wendet
	        
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