Full text: Deutsche Poesie von den Romantikern bis auf die Gegenwart

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Karl Gerok. 
806. DdDie Geister der Helden. 
(Anfang August 1870.) 
1. Wer reitet so spät in der stürmischen Nacht 
Vorbei am gewitternden Himmel? 
Sind's Geistergeschwader, entboten zur Schlacht? 
Ist's wandelndes Wolkengewimmel? 
Sind Geisterschwadronen, in dämmernden Reih'n 
Die Lüfte durcheilend im mondlichen Schein, 
Ihr Marschall voran auf dem Schimmel! 
2. Die Tapferen sind's aus der vorigen Zeit, 
Entstiegen den dumpfigen Grüften; 
Trompeten hörten sie werben zum Streit, 
Da zwang sie's, den Rasen zu lüften. 
Sie reiten auf Wolken im mondlichen Schein 
Hoch über die Berge, hinüber zum Rhein 
Und reißen das Schwert von den Hüften. 
3. Es führt sie der Blücher auf brausendem Roß; 
Wie flattert sein Mantel im Winde! 
Und Gneisenau folgt ihm, der treue Genoß, 
Daß der Rat mit der Tat sich verbinde, 
Und der finstere Nork und der schneidige Kleist 
Und der Schill und was weiß ich, wie jeglicher heißt — 
Sie reiten mir viel zu geschwinde. 
4. Doch der auf grauem, getigertem Hengst 
Gleicht Württembergs tapferem Sohne! 
Als der Könige Nestor vertauscht' er unlängst 
Mit dem Sarkophage die Krone; 
Nun reitet er wieder so rüstig und froh, 
Als würf' er noch einmal bei Montereau 
Bonapartes Bataillone. 
5. Und einen noch hab' ich mit Freuden erschaut 
Auf schwarzem, gespenstischem Pferde; 
Ans Herze drückt er die eiserne Braut 
Mit jugendlich froher Gebärde. 
Willkommen, o Körner, mein Sänger und Held! 
Bist erwacht vom Schlummer auf Wöbbelins Feld? 
Willkommen mit Leier und Schwerte! 
6. So kommen die Geister herüber zum Rhein 
Auf jagenden Wolken geflogen; 
Tief unten da wälzt er im Mondenschein 
Am Loreleifelsen die Wogen: 
Sie schau'n, ob die Söhne der Väter noch wert; 
Sie sorgen, daß nimmer das tapfere Schwert 
Von der Feder wird listig betrogen.
	        
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