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Anhang.
blickte man mit vornehmer Geringschätzung herab. Die Sagenkreise,
welche hauptsächlich behandelt wurden, waren die von den Bretonen
überkommenen und von den französischen Dichtern bereits künst¬
lerisch verarbeiteten Sagen von dem britischen Könige Artus mit
seiner „Tafelrunde“ und vom heiligen Gral: in der Tafelrunde spiegelt
sich das weltliche, in den Tempelrittern das geistliche Rittertum
der Zeit ab.
Das wichtigste Gedicht aus dem Sagenkreise des Gral ist Wolf¬
rams von Eschenbach „Parcival“, aus dem Sagenkreise des Artus
Hartmanns von Aue „Iwein“, während das Liebes-Epos Gottfrieds von
Straßburg „Tristan und Isolde“ bereits den Übergang zum Minne¬
sänge bildet.
Hartmann von Aue: a) Iwein.
Hartmann von Aue bezeichnet sich selbst als Vasallen der Be¬
sitzer eines Schlosses Aue in Schwaben; er verstand Französisch und
Lateinisch, beteiligte sich 1197 an einem Kreuzzuge und starb
zwischen 1210 und 1220. Seine Werke, die alle die Lösung
schwieriger Fragen zum Gegenstände haben, zeichnen sich aus durch
klare, gefällige Darstellung sowie durch feinen Takt in Form und
Inhalt. Den Stoff zum „Iwein“ entnahm er dem Chevalier au lion
des Nordfranzosen Chretien von Troyes.
b) Der arme Heinrich.
Herder sagt über die Legenden: „Legende hieß das Buch, das
die Summe dessen umfaßte, was nicht nur durchs ganze Jahr hin
dem Volke vorgelesen, sondern auch zu seiner häuslichen Erbauung
fast einzig in die Hand gegeben ward. Und da dies insbesondere
Leben der Heiligen waren, so ist der Name Legende vorzüglich der
wunderbar frommen Erzählung, d. i. Lehensbeschreibungen und Ge¬
schichten, die durch das, was Andacht vermöge, zur Nachfolge reizen
sollten, geblieben. Nebst den Bitterbüchem fassen sie also nach
dem Geist damaliger Zeit die Blüte und Blume menschlicher Aus¬
bildung in sich; die Ritterbücher für den Mann von Geburt, die
Legenden für den andächtigen tugendhaften Menschen, wes Standes
er auch sein mochte. — In der Einsamkeit, in bangen Zeiten der
Furcht und Not, überhaupt aber in jedem engen menschlichen Kreise
sprechen sie mit sanfter Gewalt dem menschlichen Herzen zu und
gebieten Einkehr in sich selbst, Glauben, Liebe, Geduld, strengen
Gehorsam.“
Hartmanns Legende, der arme Heinrich, beruht teils auf einer
alten Volkssage, teils knüpft er an die Familiengeschichte seiner
Lehnsherren an. Uhland hat das Gedicht „eines der anmutigsten und
gediegensten Gedichte des deutschen Mittelalters“ genannt.