Full text: [Obertertia, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband])

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Lyrische Dichtung. 
51. Morgengebet. 
Joseph Freiherr v. Eichendorff. 
1. O wunderbares tiefes 
Schweigen, 
Wie einsam ist's noch auf der Welt! 
Die Wälder nur sich leise neigen, 
Als ging' der Herr durchs stille 
Feld. 
2. Ich fühl mich recht wie neu¬ 
geschaffen, 
Wo ist die Sorge nun und Not? 
Was mich noch gestern wollt 
erschlaffen, 
Ich schäm' mich des im Morgenrot. 
3. Die Welt mit ihrem Gram und 
Glücke 
Will ich, ein Pilger, frohbereit 
Betreten nur wie eine Brücke 
Zu dir, Herr, übern Strom der 
Zeit. 
4. Und buhlt mein Lied, ans Welt¬ 
gunst lauernd, 
Um schnöden Sold der Eitelkeit: 
Zerschlag mein Saitenspiel, und 
schauernd 
Schweig ich vor dir in Ewigkeit. 
52. Frühzeitiger Frühling. 
Johann Wolfgang Goethe. 
1. Tage der Wonne, 
Kommt ihr so bald? 
Schenkt mir "Me Sonne, 
Hügel und Wald? 
2. Reichlicher fließen 
Bächlein zumal. 
Sind es die Wiesen? 
Ist es das Tal? 
3. Bläuliche Frische! 
Himmel und Höh! 
Goldene Fische 
Wimmeln im See. 
4. Buntes Gesieder 
Rauschet im Hain; 
Himmlische Lieder 
Schallen darein. 
5. Unter des Grünen 
Blühender Kraft 
Naschen die Bienen 
Summend am Saft. 
6. Leise Bewegung 
Lebt in der Luft, 
Reizende Regung, 
Schläfernder Duft. 
7. Mächtiger rühret 
Bald sich ein Hauch, 
Doch er verlieret 
Gleich sich im Strauch. 
8. Aber zum Busen 
Kehrt er zurück. 
Helfet, ihr Musen, 
Tragen das Glück! 
9. Saget seit gestern 
Wie mir geschah? 
Liebliche Schwestern, 
Liebchen ist da! 
G 
Paulsick, Deutsches Lesebuch für Obertertia.
	        
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