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sah der alte Mann auf die wogende Menschenmasse, auf die fröhlichen
Gesichter, auf die stolze Pracht ihres Putzes. Bei ihrem Lachen drang
ein Stachel in seine Seele — heute abend mußte er hungern auf seinem
Strohlager im Dachstübchen. Sein Pudel war in der Tat besser daran;
er fand doch vielleicht auf dem Heimweg unter einem Gossenstein einen
Knochen, an dem er seinen Hunger stillen konnte.
Schon war's ziemlich spät am Nachmittag, und seine Hoffnung war
so nahe am Untergang wie die Sonne; denn schon kehrten die Lustwandler
zurück. Da legte sich ein recht tiefes Leid auf das wetterharte, vernarbte
Gesicht. Er ahnte nicht, daß nicht weit von ihm ein stattlich gekleideter
Herr stand, der ihm lange zuhörte und ihn mit dem Ausdrucke tief
empfundenen Mitleids betrachtete. — Als endlich alles fruchtlos blieb und
die müde Hand den Bogen nicht mehr führen konnte, auch sein Bein ihn
kaum mehr trug, setzte er sich auf einen Stein und stützte die Stirn in die
hohle Hand. Er weinte heimlich.
Der Herr aber, der dort am Stamm der alten Linde lehnte, hatte
gesehen, wie die verstümmelte Hand die Tränen abwischte, damit das Auge
der Welt die Spuren nicht sähe. Es war aber, als wenn die Tränen
ihm wie siedendheiße Tropfen auf das Herz gefallen wären, so rasch trat
er herzu, reichte dem Alten ein Goldstück und sagte: „Leiht mir Eure
Geige ein Stündchen!“ Der Alte sah voll Dankes den Herrn an, der mit
der deutschen Sprache so holprig umging, wie er mit der Geige. Was
er aber wollte, verstand der Invalide doch und reichte ihm seine Geige.
Sie war nun so schlecht nicht; nur der gewöhnliche Geiger kratzte so
übel. Der Herr stimmte sie glockenrein, stellte sich ganz nahe zu dem
Invaliden und sagte: „Kollege, jetzt nehmt Ihr das Geld, und ich spiele.“
— Und nun fing er an zu spielen, daß der Alte seine Geige neugierig
betrachtete und meinte, sie sei es gar nicht mehr; denn ihr Klang ging
wunderbar in die Seele, und die Töne rollten wie Perlen dahin. Manch—
mal war's, als jubilierten Engelstimmen in der Geige, und dann wieder,
als klagten Töne schweren Leids aus ihr heraus, die das Herz so bewegten,
daß die Augen feucht wurden.
Jetzt blieben die Leute stehen, sahen den stattlichen Herrn an und
horchten auf die wundervollen Töne; jedermann sah's, der Mann geigte
für den Armen, aber niemand kannte ihn. Immer größer ward der
Kreis der Zuhörer. Selbst die Kutschen der Vornehmen hielten an.
Und was die Hauptsache war, jedermann sah ein, was der kunstreiche
Fremde beabsichtigte, und gab reichlich. Da fiel Gold und Silber in
den Hut und auch Kupfer, je nachdem das Herz war. Der Pudel