Full text: Lesebuch für die Oberstufe der katholischen Elementarschulen in Elsaß-Lothringen

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gefleckt. Plinius begab sich zu Schiffe und steuerte auf die Gefahr 
los in gerader Richtung, ohne alle Furcht, und verzeichnete jede Be¬ 
wegung und Gestalt des Naturungeheuers in seine Schreibtafel. Bald 
aber fiel Aschenregen mit Bimsstein und anderen schwarz gebrannten 
Steinbrocken auf die Schiffe. An eine Landung war nicht mehr zu 
denken; sie steuerten daher nach dem Hafen von Stabiä. Aus dem 
Vesuv sahen sie an mehreren Orten breite Flammen und hohe Feuer 
hervorbrechen, deren Schein durch die Finsternis der Nacht erhöht 
wurde. Die schwarze, furchtbare Wolke spaltete sich in lange Flammen¬ 
gestalten, ähnlich den Blitzen. Plinius kehrte bei einem Freunde ein, 
nahm ein Bad, setzte sich dann zu Tische und hielt auch noch Mittags¬ 
ruhe. Aber der Hof, durch den man in das Zimmer des Schlafenden 
trat, war kurze Zeit darauf so mit Asche und Bimssteinen erfüllt, 
daß ihm, hätte er länger gezögert, der Ausgang würde versperrt 
gewesen sein. Man weckte ihn, und Plinius beschloß nun mit seinem 
Freunde das Freie zu suchen. Sie banden sich Kissen auf die Köpfe 
zum Schutze gegen die niederfallenden Steine. Schon war die Zeit 
des Tagesanbruches vorüber, aber noch herrschte die schwärzeste Nacht, 
nur erhellt durch Feuersäulen aller Art. Das Meer war schaurig 
und wild und nicht zu beschissen. Ein Schwefelgeruch verbreitete sich. 
Da legte sich Plinius auf ein ausgebreitetes Tuch auf die Erde — 
Alles floh. Er wachte auf, und zwei zurückgebliebene Sklaven stützten 
ihn. Aber er sank sogleich wieder nieder — der dicke Dunst hatte 
ihn erstickt. Drei Tage später fand man ihn, einem Schlafenden, 
nicht einem Toten gleich. 
Schon mehrere Tage vor dem Ausbruche hatten Erdstöße statt¬ 
gefunden; in der Nacht nach dem Ausbruche waren sie so heftig, daß 
sie gänzliche Zerstörung zu drohen schienen. Am nächsten Morgen war 
das Licht äußerst matt, und die Gebäude schwankten noch immer. 
Die Wagen, in welchen wir die Stadt verlassen hatten, rollten auf 
dem erschütterten Erdboden hin und her. Eine furchtbare schwarze 
Wolke leuchtete oft von Flammen; Aschenregen begann auf uns herab¬ 
zufallen, und als ich mich umwandte, bemerkte ich hinter uns einen 
dicken Rauch, der wie ein Strom dahinrollte. Wir wichen von der 
Straße auf die Felder aus, um nicht im Gewühle erdrückt zu werden. 
Aber kaum hatten wir das gethan, so umgab uns dicke Finsternis. 
Man hörte nichts als das Geschrei der Weiber und Kinder und das 
Rufen der Männer. Die meisten glaubten, die letzte Nacht sei ge¬ 
kommen. Nach langer Zeit erschien ein glimmendes Licht, darauf ein
	        
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