2. Per. 2. Zeitr. Nibelungen.
19
Sie sprach zu dem Recken: „Laßt euer Jagen sein;
Mir träumte heunt von Leide, wie euch zwei wilde Schwein'
Über die Heide jagten; da wurden Blumen rot.
Daß ich so bitter weine, das schafft mir wahrhafte Not.
Ich fürchte sehr und bange vor etlicher Verrat.
Hier sind gewißlich welche, die man erzürnet hat;
Die könnten uns verfolgen mit feindlichem Haß.
Bleibt hier, mein lieber Herre, mit Treue rat' ich Euch das."
Er sprach: „Liebe Traute, ich kehr' in kurzer Zeit;
Ich weiß nicht, daß hier jemand mir Haß trüg' oder Neid.
Alle deine Freunde sind insgemein mir hold;
Auch verdient' ich von den Degen wohl nimmer anderlei Sold." —
„Nicht doch, lieber Siegfried, wohl fürcht' ich deinen Fall.
Mir träumte heunt von Leide, wie über dir zu Thal
Fielen zwei Berge, daß ich dich nie mehr sah;
Und willst du von mir scheiden, das geht mir inniglich nah."
Er umfing mit den Armen das tugendreiche Weib,
Mit holdem Kusse herzt' er ihren schönen Leib.
Dann nahm er Ürlaub und schied in kurzer Stund;
Sie ersah ihn leider danach nicht wieder gesund.
Da ritten sie von dannen in einen tiefen Tann.
Der Kurzweil willen folgte manch kühner Rittersmann
Günthern dem Könige und Siegfrieden nach.
Geiselher der Ruhe daheim mit Gernoten pflag.
Die Jagd war zu Ende, und doch nicht ganz und gar.
Die zur Herberg wollten, brachten mit sich dar
Tiere mancher Arten, dazu des Wildes genug.
Hei! was man des zur Küche vor das Ingesinde trug!
Da ließ der König künden den Jägern wohlgeborn,
Daß er zum Imbiß wolle; da wurde laut ins Horn
Einmal gestoßen: also ward bekannt,
Daß man den edcln Fürsten bei den Herbergen fand.
Da sprach König Siegfried: „Mich verwundert sehr,
Man bringt uns aus der Küche doch so viel daher,
Was bringen uns die Schenken nicht dazu den Wein?
Pflegt man so der Jäger, will ich nicht Jagdgeselle sein.
Ich hätt' es wohl verdienet, bedächte man mich gut."
Bon seinem Tisch der König sprach mit falschem Mut:
„Man soll Euch künftig büßen, was heut uns muß entgehn;
Die Schuld liegt an Hagen, der will uns verdursten sehn."
Da sprach von Tronje Hagen: „Lieber Herre mein,
Ich wähnte, das Birschen sollte heute sein
In dem Spechtsharte; den Wein sandt' ich dahin.
Heut gibt es nichts zu trinken; doch vermeid' ich's künftighin."
Da sprach der Niederländer: „Ich sag' Euch wenig Dank;
Man sollte sieben Säumer mit Met und Lautertrank
Mir hergesendet haben; konnte das nicht sein,
So sollte man uns näher gesiedelt haben dem Rhein."
Des wurde da nicht inne der verratne kühne Mann,
Daß man solche Tücke wider sein Leben spann.
Er war in hoher Tugend alles Truges bar;
Seines Todes mußt' entgelten, dem es nie ein Frommen war.
Da sprach von Tronje Hagen: „Ihr edeln Ritter schnell,
Ich weiß hier in der Nähe einen kühlen Quell;
Daß ihr mir nicht zürnet, da rat' ich hinzugehn."
Der Rat war manchem Degen zu großer Sorge geschehn.
Siegfried, den Recken, zwang des Durstes Not;
Den Tisch er wegzurücken so zeitiger gebot:
Er wollte vor die Berge zu dem Brunnen gehn.
Da war der Rat aus Arglist von den Recken geschehn.
2*