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Poetik. — Dichtungsartcn.
1 Die Ballade und Romanze.
Die Ballade (ballare) ein italienisches Tanzlied; ein Volkslied, welches
schottische und altenglische Nationalhelden besingt. Die Romanze, ein in roma¬
nischer Sprache abgefaßtes Gedicht bei den südlichen Völkern. Seit Bürger
in der deutschen Litteratur.
Ballade und Romanze sind episch-lyrische Gedichte, in welchen die Be¬
gebenheit in idealer Anschauung (wenigstens bei Schiller) aufgefaßt wird. In
der Ballade herrscht das epische Element vor, in der Romanze das lyrische.
Die Ballade stellt die handelnden Personen in den Vordergrund, erzählt mit
dramatischer Kraft, oft mit epischer Ausführlichkeit, obgleich sie den Fortschritt
der Handlung oft nur andeutet und erraten läßt. Sie nimmt ihren Stoff
aus dem Altertume, der Sage und Neuzeit. In der Romanze, welche ihren
Stoss gern dem romantischen Mittelalter entnimmt, schreitet die Erzählung
ruhiger fort, und die Teilnahme des Dichters an den handelnden Personen
wird sichtbar; sie ist kürzer als die Ballade und singbarer. Verschiedene
Bestimmung des Unterschieds und Schwierigkeit der Unterscheidung. Das
Versmaß ist in beiden die lyrische Strophe.
Bsp.: 5, 177 u. 3, 41. Bürger, Lenore und Der wilde Jäger. — 5, 196.
Herder, Erlkönigs Tochter. — 3, 59. Goethe, Das Hochzeitlied. — 4, 116.
Goethe, Der Fischer und Erlkönig. — 5, 220 u. 227. Goethe, Der Zauber¬
lehrling u. Ballade vom vertriebenen u. zurückkehrenden Grasen. — 3, 28
u. 171. Schiller, Der Taucher und Die Bürgschaft. — 4, 247. Schiller,
Der Kampf mit dem Drachen. — 5, 249 u. 252. Schiller, Der Ring des
Polykrates und Die Kraniche des Ibykus. — 5, 337. Brentano, Die Goltes-
mauer. — 3, 131. Kerner, Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe. — 2,190. 3, 65.
4, 125. Uhland, Roland Schildträger, Klein Roland, Des Sängers Fluch. —
4, 21 u. 5, 430. Platen, Das Grab im Busento und Tod des Carus. —
3, 111. G. Schwab, Das Gewitter. — 4, 85. G. Schwab, Das Mahl zu
Heidelberg. — 3, 26. Seidl, Hans Euler.
Bsp.: 5, 187. Stolberg, Romanze. — 3, 63 u. 5, 219. Goethe, Der
Sänger und Der Schatzgräber. — 4, 72 und 5, 251. Schiller, Der Graf
von Habsburg und Ritter Toggenburg. — 3,123. Tieck, Arion. — 4, 28 und
171. Uhland, Der blinde König und Das Glück von Edenhall. — 5, 393.
Zedlitz, Die nächtliche Heerschau. — 5, 452 und 454. Heine, Die Wallfahrt
nach Kevlaar und Die Grenadiere. — 5, 476. Ebert, Der Sänger im Palast.
— 5, 583. R. v. Gottschall, Herrnhuter Romanze.
2. Die epische Rhapsodie.
Eine Ballade größeren Umfangs, in mehreren Abteilungen, nimmt den
Stoff aus der Heldenzeit.
Bsp.: 4, 88. Uhland, Graf Eberhardt.
3. Die poetische Erzählung.
Einfache Erzählung, ohne ideale Auffassung, zuweilen lehrhaft und der
Fabel verwandt. — Schwank.
Bsp.: 2, 79 u. 5, 107. Gellert, Der arme Schisser und Der Maler. —
2, 201. Pfeffel, Die Tabakspfeife. — 5, 181. Bürger, Der Kaiser und der