Full text: [Teil 1, [Schülerbd.]] (Teil 1, [Schülerbd.])

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Der Sachse reicht ihm auch die Hand: 
„Hast fränk'sche Großmut du genannt, 
So leriL anch Sachsentreue kennen. 
Ich will dir deinen Gastsreund nennen: 
Herr Karl, du bist in mächt'ger Hand, 
Ich bin der Wittekind genannt." 
Da rief der Karl: „Ja treu und frei! 
Das edle Roß, das ist dein Bild! 
Nun soll der goldne Frieden tagen. 
Du sollst die Herzogskröne tragen; 
Das weiße Roß, das führ/ im Schild, 
Für ewig sei es treu und frei!" Max vonOör. 
69. 
Wie Kaiser Karl Schulvisüation hielt. 
Als Kaiser Karl zur Schule kam und wollte visitieren, 
Da prüfte er scharf das kleine Volk, ihr Schreiben, Buchstabieren, 
Ihr Vaterunser, Einmaleins und was man lernte mehr; 
Zum Schlüsse rief die Majestät die Schüler um sich her. 
Gleich wie der Hirte schied er da die Böcke von den Schafen, 
Zu seiner Rechten hieß er steh'n die Fleißigen, die Braven. 
Da stand im groben Linnenkleid manch schlichtes Bürgerskind, 
Manch Söhnlein eines armen Knechts von Kaisers Hosgesind. 
Dann rief er mit gestrengem Blick die Faulen her, die Böcke, 
Und wies sie mit erhabner Hand zur linken in die Ecke. 
Da stand im pelzverbrämten Rock manch seiner Herrensohn, 
Manch ungezognes Mutterkind, manch junger Reichsbaron. 
Da sprach nach rechts der Kaiser mild: „Habt Dank, ihr frommen Knaben, 
Ihr sollt an mir den gnädigen Herrn, den güt'gen Vater haben; 
Und ob ihr armer Leute Kind und Knechtessöhne seid, 
In meinem Reiche gilt der Mann, und nicht des Mannes Kleid." 
Dann blitzt sein Blick zur linken hin, wie Donner klang sein Tadel: 
„Ihr Taugenichtse, bessert euch, ihr schändet euren Adel! 
Ihr seidnen Püppchen, trotzet nicht auf euer Milchgesicht, 
Ich frage nach des Manns Verdienst, nach seinem Namen nicht." 
Da sah man manches Kinderaug' in frohem Glanze leuchten, 
Und manches stumm zu Boden schür, und manches still sich feuchten. 
Und als man aus der Schule kam, da wurde viel erzählt, 
Wen heute Kaiser Karl belobt, und wen er ausgeschmält.
	        
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