Full text: [Teil 4, [Schülerbd.]] (Teil 4, [Schülerbd.])

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welche der Schreck über diese rohe Behandlung aufs Krankenlager 
warf. Ihr Mann ging in die Stadt und erhob Klage gegen den 
Neuhöfer wegen Beleidigung und Körperverletzung. In diesem Falle 
hatte der Richter keine schwere Arbeit; der Neuhöfer leugnete nicht, 
und in Anbetracht seiner fleckenlosen Vergangenheit wurde auf das 
geringste Strafmaß „drei Tage Gefängnis“ erkannt. Schon am 
folgenden Tage meldete er sich zur Verbüßung der Strafe. 
2. Das waren drei schlimme Tage, nicht nur für den Neuhöfer, 
der im Gefängnisse saß, sondern auch für das ganze Tal, namentlich 
aber für die Niederung, in der das Dörflein Gertum lag. Schwere 
Gewitter zogen herauf, Wolkenbrüche gingen nieder, und die Berg— 
wässerlein des Hausruck, sonst nur harmlose Spielplätze der Forellen, 
schwollen zu Strömen an. Von allen Halden stürzten sie nieder 
in das Tal und schossen dem Inn zu, ihm zu helfen bei seinem 
Angriff auf die Dämme. Schon drei Tage und drei Nächte dauerte 
der Kampf der Elemente gegen das kleine, freundliche Dörflein, und 
schon seit drei Tagen und drei Nächten kämpften die braven Bauern 
auf den Dämmen gegen die Übermacht des Feindes. 
3. Bei schon sinkender Nacht des dritten Tages kehrte Langer. 
der Kreuzhöfer, in seine Behausung zurück. In der Wohnstube ließ 
er den regendurchnäßten Mantel fallen und warf sich erschöpft in 
den Lehnstuhl. „Das hat gegolten, Fraul Ich glaube, der Himmel 
ist uns gnädig, Sturm und Regen haben nachgelassen, und das 
Ärgste ist überftanden!“ — „O Anton,“ jammerte die Frau, „was 
für eine Heimsuchung! Gott wird doch barmherzig sein!“ — „Weine 
nicht, er ist's! Und jetzt koche mir nur Kaffee!“ — „So ist keine 
Gefahr mehr?“ — „Ich glaube, nein, sonst wär' ich nicht hier. 
Was wohl der Franz jetzt machen wird? Die ganze Zeit kommt er 
mir nicht aus dem Sinn. Na, bis morgen ist er frei. Danke, 
Christel, dein Kaffee war gut. Doch jetzt ins Bett, die Knochen 
fallen mir auseinander.“ Der übermüdete Mann fiel in einen 
unruhigen Schlaf, in dem ein Traumbild das andre jagte, und in 
allen spielte die Person des Neuhöfers eine Rolle. Da plötzlich 
trommelten zwei Fäuste an dem Fensterladen, und „Meister, Meister!“ 
rief draußen eine Stimme, „um Gottes willen, wacht auf!“ — 
„Was gibt es, Sepp?“ — „Heraus, alles heraus! Hört Ihr nicht 
bie Stürmglocke? Die Dämme sind gebrochen, das Wasser steht 
schon im Hofl“ 
4. Mit einem Sprunge war Langer am Fenster und stieß den 
Laden auf. Auf dem etwas tiefer liegenden Hofe wogten die Fluten 
und plätscherten schon bis an die Schwelle der Haustür. Der 
Himmel war wieder klar, und der Vollmond lachte mit seinem ewig 
dummfreundlichen Gesicht auf die Verwüstung herunter. „Sepp 
schnell hinauf in die Ställe, laß das Vieh heraüs!“ — „Ja, Herr.“
	        
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