Full text: [Teil 4, [Schülerbd.]] (Teil 4, [Schülerbd.])

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57. Der blinde König. 
Ludwig Uhlancd. 
Gedichte. Vollst. Krit. Ausgabe, bes. von Prich Schmidt und Julius 
Hartmann. L. Band. Stuttgart. 1898. 8. 146. 
[ED: Norgenblatt für gebildete Stunde. Stuttrart. 1815. No. 248. 8. 289.] 
1. Was steht der nord'schen Fechter Schar 
hoch auf des Meeres Bord? 
Was will in seinem grauen Haar 
der blinde König dort? 
Er ruft, in bittrem Harme 
auf seinen Stab gelehnt, 
daß überm Meeresarme 
das Eiland wiedertönt: 
2. „Gib, Räuber, aus dem Felsverlies 
die Tochter mir zurück! 
Ihr Harfenspiel, ihr Lied so süß 
waͤr meines Alters Glück. 
Vom Tanz auf grünem Strande 
hast du sie weggeraubt; 
dir ist es ewig Schande, 
mir beugt's das graue Haupt.“ 
3. Da tritt aus seiner Kluft hervor 
der Räuber, groß und wild; 
er schwingt sein Hünenschwert empor 
und schlägt an seinen Schild: 
„Du hast ja viele Wächter. 
warum denn litten's die? 
Dir dient so mancher Fechter, 
und keiner kämpft um sie?“ 
4. Noch stehn die Fechter alle stumm, 
tritt keiner aus den Reihn; 
der blinde König kehrt sich um: 
„Bin ich denn ganz allein?“ 
Da faßt des Vaters Rechte 
sein junger Sohn so warm: 
„Vergönn' mir's, daß ich fechte! 
Wohl fühl' ich Kraft im Arm.“ 
5. „O Sohn, der Feind ist riesenstark, 
ihm hielt noch keiner stand, 
und doch, in dir ist edles Mark, 
ich fühl's am Druck der Hand. 
Nimm hier die alte Klinge! 
Sie ist der Skalden Preis. 
Und fällst du, so verschlinge 
die Flut mich armen Greis!“
	        
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