Full text: [Oberstufe, [Schülerbd.]] (Oberstufe, [Schülerbd.])

102 
12. Da sprach Gerlind die böse: „Nun sollst du mein Gewand 
alle Morgen tragen vom Burghof an den Strand 
und sollst es drunten waschen für mich und mein Gesinde, 
und sollst dich sorglich hüten, daß man zu keiner Frist dich müßig finde.“ 
3. Da sprach die edle Jungfrau: „Fürstin, hoch und hehr, 
so sorgt für Unterweisung. Das Lernen fällt nicht schwer 
bei rechtem Sinn und Willen. Dann wasch' ich Euch die Kleider. 
Mich fliehen Cust und Wonne; so wollt' ich denn, Ihr tätet mir noch 
leider.“ 
Da beschied man eine Wäscherin: die trug nun das Gewand, 
die Lehre zu beginnen, mit Gudrun auf den Sand. 
Gar nah ging solches Schicksal allen ihren Frauen: 
ihre hohe Herrin zu solchem Mägdewerk verdammt zu schauen. 
5. Da rief in treuem Herzen Hildeburg, die Maid: 
„Wohl ringen all' in Schmerzen, (Gott schau' auf solches Leid!) 
die man dereinst mit Gudrun geschleppt zu diesem Cande. 
Sie lechzen still nach Ruhe; nun steht sie selbst gar waschend auf dem 
Sande!“ 
(6. „Ihr sollt bei Gott dem Herren,“ so sprach sie zu Gerlind, 
„sie ganz allein nicht lassen: sie ist ein Königskind! 
Mein Vater auch war König; doch soll mich's nicht gereuen: 
Caßt mich mit ihr waschen! Wir werden, was da komme, nimmer 
scheuen.“ 
Da sprach Gerlind die böse: „Dir schafft es oft noch Weh! 
Wie hart auch sei der Winter, selbst auf Eis und Schnee 
mußt du die Kleider waschen, trotz bitterbösen Winden. 
Dann ließest du dich lieber bei des Gadens warmem Mfen finden.“ 
Kaum konnte sie erwarten des Abends Dämmerschein, 
da ging die edle Hildeburg zu Gudruns Kämmerlein. 
Ob ihres Dienstes Schwere von Herzen klagten beide. 
Das schuf der hohen Dulderin linden Trost in ihrem bittern Leide. 
9. Da begann Frau Hildeburg mit neuem Weh und Ach: 
„Fürwahr, mich kränkt so innig dein großes Ungemach. 
Da bat ich nun die Wölfin, daß du nicht so alleine 
am Strande waschen müßtest. Nun tragen wir die Mühsal im Vereine.“ 
Da sprach die Heimatlose: „Dir lohne Jesus Christ, 
daß du ob meinem Leide so herzlich traurig bist. 
Und willst du mit mir waschen, so kürzt uns das die Weile 
und schenkt uns manche Freude, die unserm trüben Mut gereicht zum 
Heile.“ 
20. 
Gudrunlied. 
57. Gudruns Klage. 
Nun geht in grauer Frühe Ich wall' hinab zum Strande 
der scharfe Märzenwind, durch Reif und Dornen hin, 
und meiner Qual und Mühe zu waschen die Gewande 
ein neuer Tag beginnt. der grimmen Königin.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.