IX. Die Zeit des Ringens nach Freiheit und Einheit.
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IX. Die Feit des Ringens nach Freiheit und Einheit.
42. Die Freiheitskriege.
1813. 1815.
1. Erhebung des deutschen Volks. Die Kunde von dem Schicksale
Napoleons bewegte ganz Europa. Jetzt schien die Stunde gekommen,
das verhaßte Joch der Franzosenherrschast abzuwerfen. König Friedrich
Wilhelm III. von Preußen schloß deshalb mit dem Kaiser..Alexander
von Rußland einen Bund, dem später auch der Kaiser von Ost erreich
und der König von Schweden beitraten. Er erließ dann von Breslau
aus einen Aufruf an sein Volk, die Waffen gegen Napoleon zu er-
greifen. Darin hieß es:
„Es ist der letzte entscheidende Kampf, den wir bestehen für unser Dasein, unsere
Unabhängigkeit, unseren Wohlstand. Keinen anderen Ausweg giebt es, als einen
ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet ihr getrost
entgegengehen um der Ehre willen, weil ehrlos der Preuße und der Deutsche nicht
zu leben vermag. Allein wir dürfen mit Zuversicht vertrauen: Gott und unser fester
Wille werden unserer gerechten Sache den Sieg verleihen nnd mit ihm einen sicheren,
ruhmreichen Frieden und die Wiederkehr einer glücklichen Zeit."
Begeistert erhob sich das Volk mit Gott für König und Vater-
land. Von jenen erhebenden Tagen erzählt ein Zeitgenosse:
„Es war nur eine Stimme, ein Gefühl, ein Zorn und., eine Liebe: das Vater-
land zu retten, Deutschland zu befreien und den französischen Übermut einzuschränken.
Jünglinge, die kaum wehrhaft waren, Männer mit grauen Haaren und wankenden
Knieen, Offiziere, die wegen Wunden und Verstümmlungen ehrenvoll entlaffen waren,
reiche Gutsbesitzer und Beamte, Väter zahlreicher Familien und Verwalter weitläufiger
Geschäfte, in Hinsicht jedes Kriegsdienstes entschuldigt, wollten sich selbst nicht ent-
schuldigen; ja sogar Jungfrauen drängten sich in Männerkleidung zu den Waffen;
alle wollten sich üben, rüsten und für das Vaterland streiten oder sterben. Jede
Stadt,. jeder Flecken, jedes Dorf schallte von Kriegslust und Kriegsmusik und war in
einen Übungs- und Waffenplatz verwandelt. Jeder war bereit zu dem Geschäfte und
Dienste, zu dem er der brauchbarste war. Was die Männer unmittelbar unter den
Waffen und für die Waffen thaten, das thaten die Frauen durch stille Gebete, brünstige
Ermahnungen, fromme Arbeiten, menschliche Sorgen und Mühe für die Ausziehenden,
Kranken und Verwundeten."
2. Niederlage Napoleons. 1813. Die Verbündeten standen in drei
gewaltigen Heerhaufen Napoleon gegenüber: Die Hauptarmee in Böhmen
unter dem Befehle des österreichischen Feldmarschalls Schwarzenberg, die
schlesische Armee am Riesengebirge unter dem Befehle des preußischen
Feldmarschalls Blücher, die Nordarmee unter dem Befehle des Krön-
prinzen von Schweden mitten in der Provinz Brandenburg. _ Viele
blutige und gewaltige Schlachten wurden geschlagen, die gewaltigsten an
der Katzbach und bei Leipzig.
Schlacht an der Katzbach. An der Katzbach in Schlesien stand dem preu-
Bischen General Blücher ein großes französisches Heer gegenüber. Zwischen beiden
floß die hochangeschwollene Katzbach. Da griffen die Franzosen an; ruhig ließ Blücher
sie den Fluß überschreiten. Dann rief er: „Nun Hab' ich genug Franzosen herüber,
jetzt, Kinder, vorwärts!" Mit Hurra stürzt alles auf den Feind; strömend rauscht
der Regen nieder: die Gewehre versagen; da dringt das Fußvolk mit Bajonett und'
Kolben in den Feind; Blücher, an der Spitze seiner Kavallerie, allen voran und
treibt den Feind in die Flucht. Die Fliehenden stürzen in die Neiße und Katzbach
und finden in den Wellen ihr Grab.