Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1)

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Nur zu sorgen, ermahnt: „Laßt Kinderchen!" rief sie, „dem Sturmwind 
160 Wehret das Hans! Ich bin ja vom eisernen Kerne der Vorwelt! 
Stets war unser Geschlecht steinhart und Verächter des Wetters; 
Aber die jüngere Welt ist zart und scheuet die Zugluft." 
Sprach's,undden Sohn,derdemSchlitten entsprang, umarmte sie eilig. 
Hüllte das Töchterchen dann aus bärenzottigem Fußsack 
165 Und liebkosete viel mit Kuß und bedauerndem Streicheln, 
Zog dann beid', in der Linken den Sohn, in der Rechten die Tochter, 
Rasch in das Haus, dem Gesinde des Fahrzeugs Sorge vertrauend. 
„Aber wo bleibt mein Vater? Er ist doch gesund am Geburtstag?" 
Fragte der Sohn. Schnell tuschte mit winkendem Haupte die Mutter: 
170 „Still! das Väterchen hält noch Mittagsschlummer im Lehnstuhl! 
Laß mit kindlichem Kuß dein junges Gemahl ihn erwecken; 
Dann wird wahr, daß Gott im Schlafe die Seinigen segnet!" 
Spracht und führte sie leis in der Schule gesäubertes Zimmer, 
Voll von Tisch und Gestühl, Schreibzeug und bezifferten Tafeln, 
175 Wo sie an Pflöck' aufhängte die nordische Wintervermummung, 
Mäntel, mit Flocken geweißt, und der Tochter bewunderten Leibpelz, 
Auch den Flor, der die Wangen geschirmt, und das seidene Halstuch, 
Und sie umschloß die Enthüllten mit strömender Träne der Inbrunst. 
„Tochter und Sohn, willkommen! ans Herz! willkommen noch einmal! 
180 Ihr, uns Altenden Freud', in Freud' auch altet und greifet, 
Stets einmütigenden Sinns, umwohnt von gedeihenden Kindern! 
Nun mag brechen das Auge, da dich wir gesehen im Amtsrock, 
Sohn, und dich ihm vermählt, du frisch aufblühendes Herzblatt! 
Armes Kind, wie das ganze Gesicht rot glühet vom Ostwind! 
185 O du Seelengesicht! Denn ich duze dich, weil du es forderst! 
Aber die Stub' ist warm, und gleich soll Kaffee bereit sein!" 
Ihr um den Nacken die Arme geschmiegt, liebkoste die Tochter: 
„Mutter, ich duze dich auch, wie die leibliche, die mich geboren; 
Also geschah's in der Bibel, da Herz und Zunge vereint war; 
190 Denn du gebarst und erzogst mir den wackeren Sohn Zacharias, 
Der an Wuchs und Gemüt, wie er sagt, nachartet dem Vater. 
Mütterchen, habe mich lieb, ich will auch artiges Kind sein. 
Fröhliches Herz und rotes Gesicht, das hab ich beständig, 
Auch wenn der Ost nicht weht. Mein Väterchen sagte mir oftmals, 
195 Klopfend die Wang', ich würde noch krank vor lauter Gesundheit." 
Jetzo sagte der Sohn, sein Weib darstellend der Mutter: 
„Mütterchen, nehmt sie auf Glauben. So zart und geschlank wie sie dasteht, 
Ist sie mit Leib und Seele vom edelsten Kerne der Vorwelt.
	        
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