Full text: [Stufe 2, [Schülerbd.]] (Stufe 2, [Schülerbd.])

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war etwas größer als jetzt. Auch die Dörfer waren nicht ganz 
ohne Schutzwehr,' breiter Graben, Zaun oder Wand von Lehm 
und Stein umgrenzten oft die Stätte des Dorfes/ dann war 
verboten, Thüren durchzubrechen/ an den Hauptstraßen hingen 
Thore, welche zur Nacht geschlossen wurden. In der Regel war 
der Kirchhof mit besonderer Mauer geschützt/ er bildete mehr als 
einmal die Citadelle und letzte Zuflucht der Bewohner. Dorf und 
Flur wurden durch Nacht- und Tagewächter beschritten. Die 
Häuser waren zwar nur von Holz und Lehm in ungefälliger 
Form, oft in engen Dorfstraßen zusammengedrängt, aber sie waren 
nicht arm an Hausrat und Behagen. Schon standen alte Obst¬ 
baumpflanzungen um die Dörfer, und viele Quellen ergossen ihr 
klares Wasser in steinerne Tröge. Auf den Düngerstätten der 
eingefriedigten Höfe tummelten sich große Scharen von kleinem 
Geflügel, auf den Stoppeläckern lagen mächtige Gänseherden, und 
in den Ställen standen die Gespanne der Pferde weit zahlreicher 
als jetzt, wahrscheinlich ein großer, starkknochiger Schlag, verbauerte 
Nachkommen der alten Ritterrosse, sie, die stolzeste Freude des 
Hofbesitzers, daneben die „Klepper", eine uralte kleine Landrasse. 
Große Gemeindeherden von Schafen und Rindern grasten auf 
den steinigen Höhenzügen und in den fetten Riedgräsern. Die 
Wolle stand gut im Preise, und an vielen Orten wurde auf seine 
Zucht gehalten / die deutschen Tuche waren berühmt und Tuch¬ 
waren der beste Ausfuhrartikel. Diese nationale Wolle, das 
Resultat einer tausendjährigen Kultur, ist den Deutschen im Kriege 
verloren gegangen. Die Dorfflur lag in drei Felder geteilt, Beet 
für Beet sorgfältig gesteint. Der Acker war nicht ohne höhere 
Kultur. Ein feinmehliger weißer Weizen wurde in das Winter¬ 
feld gesäet. Waid wurde im Norden des Rennsticges immer noch 
eifrig und mit großem Vorteile gebaut. Obschon vor dem Kriege 
der fremde Indigo dem einheimischen Farbstoffe Konkurrenz 
machte, konnte der jährliche Gewinn Thüringens durch den Waid 
doch noch auf drei Tonnen Goldes angeschlagen werden/ diese 
Summe kam zumeist in das Gebiet von Erfurt und das Herzog¬ 
tum Gotha/ außerdem brachten Anis und Safflor gutes Geld / auch 
der Kardenbau war altheimisch, und von Olsaaten wurde Rübsen, 
wie am Rheine Raps, in die Brache gesäet. Der Flachs ward 
sorgfältig durch die Wasserröste zubereitet, und die bunten Blüten 
des Mohnes und die schwanken Rispen der Hirse erhoben sich 
inmitten der Ährenfelder. An den Abhängen von warmer Lage 
aber waren in Thüringen und Franken damals überall Rebengärteu, 
Deutsches Lesebuch. 3. Ausl. 8
	        
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