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er einem Bataillon Pommern, welches beim Eindringen in Frank¬
reich sich überaus brav gehalten, aber auch sehr gelitten hatte und in
ernster, fast düsterer Haltung einherzog, vertröstend zurief: „Nun,
Kinder, sollt ihr auch so lange in Frankreich bleiben, bis ihr alle
Französisch könnt!" Das ganze Bataillon war augenblicklich in
gute Laune versetzt. Nichts war merkwürdiger, als wenn er von
seinen Kriegsereignissen erzählte,' am liebsten sprach er von den
Vorfällen in Schlesien, von dem Gefechte bei Hainau und besonders
von der Schlacht an der Katzbach. Wahrhaft groß erscheint
Blücher in seiner neidlosen, freudigen Anerkennung des Verdienstes
anderer, sowohl solches, das er selbst nicht teilen konnte, als auch
dessen, welches in der Bahn des seinigen tag. ' Jede würdige Er¬
scheinung, jede tüchtige Kraft hielt er in Ehren, den Staatsmann
und den Schriftsteller, den Kaufmann und den Künstler, sobald
sie ihm in der Persönlichkeit oder in dem Namensansehen ent¬
gegentraten, die ihren Wert ihm verständlich machten. Hierher ge¬
hört denn auch das große Wort, durch welches Blücher einst die Lob¬
reden, die man ihm zum Überdrnsse vorgetragen, ungeduldig unter¬
brach. „Was ist's, das ihr rühmt?" rief er wie begeistert, „es
war meine Verwegenheit, Gneisenaus Besonnenheit und des
großen Gottes Barmherzigkeit!" Ein andermal, irr einer großen
Versammlung, als bei Tische viele Trinksprüche schon ausgebracht
rmd Sinn und Streben auf Seltsames und Wunderliches gerichtet
rvaren, verhieß Blücher, alle überbietend, er wolle thun, was ihm
kein anderer nachmachen könne/ er wolle feinen eigenen Kopf
küssen. Das Rätsel blieb nicht lange ungelöst: er stand ausging
zu Gneisenau hin und küßte ihn mit herzlicher Umarmung. Noch
bei vielen Gelegenheiten gab er wiederholt das offene Bekenntnis,
er selbst sei im Felde nur der ausführende Arm, aber Gneisenau
das leitende Haupt gewesen. Ihre beiderseitige Freundschaft blieb
ungetrübt bis ans Ende, und kein Augenblick von Eifersucht rief
jemals eine Teilung und Sonderung dessen herbei, was durch das
Leben selbst vereint worden und nur also vereint in seinem vollem
Werte bestand.
48. Zwei Briefe König Wilhelms I. an die Königin Augusta.
I.
Rezouville, den 19. August 1870.
Das war ein neuer Siegestag gestern, dessen Folgen noch
nicht zu ermessen sind. Gestern früh gingen das zwölfte, das
Garde- und das neunte Corps gegen die nördliche Straße Metz-