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Er schreitet verwegen
Auf Feldern von Eis-
Da pranget kein Frühling,
Da grünet keiir Reis -
Und, unter den Füßen ein neblichtes Meer,
Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr-
Durch den Riß nur der Wolken
Erblickt er die Welt,
Tief unter den Wassern
Das grünende Feld. '
143. Morgenwanderung.
Emanuel von Geibel.
Wer recht in Freuden wandern will,
Der geh' der Sonn' entgegen -
Da ist der Wald so kirchenstill,
Kein Lüftchen mag sich regen -
Noch sind nicht die Lerchen wach,
Nur im hohen Gras der Bach
Singt leise den Morgenscgen
Die ganze Welt ist wie ein Buch,
Darin uns aufgeschrieben
In bunten Zeilen manch exn Spruch,
Wie Gott uns treu geblieben -
Wald und Blumen, xxah und fern,
Und der nahe Morgenstern '
Sind Zeugen von seinem Lieben.
Da zieht die Andacht wie ein Hauch
Durch alle Sinne:: leise,
Da pocht ans Herz die Liebe auch
In ihrer stillen Weise -
Pocht und pocht, bis sich's erschließt,
Und die Lippe überfließt
Bor lautem, jubelndem Preise.
Und plötzlich läßt die Nachtigall
Im Busch ihr Lied erklingen,
In Berg und Thal erwacht der Schall
Und will sich aufwärts schwingen -
Und der Morgenröte Schein
Stimmt in lichter Glut mit ein:
Laßt xms dem Herrn lobsingen!
144. Wanderlied-
Friedrich Rückert. \
Dem Wandersmann gehört die Welt
In allen ihren Weiten,
Weil er kann über Thal und Feld
So wohlgemut hinschreiten.
Die Felder sind wohl angebaut
Für andre xmd von andern -
Ihn: aber, der sie sich beschaut,
Gehören sie jetzt beim Wandern.
Durch Wiesen schlängelt sich ein Pfad,
Wie zwischen Blumenbeeten.
Ich weiß nicht, wessen Fuß ihn trat -
Er ist für mich getreten.
Und neben in das Gras hinein,
Wo sie wohl Futter holen -
Das Grün ist auch beim Wandern
Ein Teppich für meine Sohlen, smein,