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und ist nicht auszustehen. Man darf Mut und Zuversicht haben,
aber nicht eingebildet und selbstklug sein; denn weiß einer sich sebst
zu raten und zu helfen, so ist ja das kürzeste, daß er sich sebst
hilft. Das Händefalten ist eine feine äußerliche Zucht und fieht so
aus, als wenn sich einer auf Gnade und Ungnade ergiebt uͤnd's
Gewehr streckt. Aber das innerliche heimliche Hinhängen, Welen—
schlagen und Wünschen des Herzens, das ist nach meiner Meinung
beim Gebet die Hauptsache, und darum kann ich nicht begreisen,
was die Leute meinen, die nichts vom Beten wissen wollen. Ist
eben so viel, als wenn sie sagten, man solle nichts wünschen, oder
man solle keinen Bart und keine Ohren haben. Das muͤßte ja n
hölzerner Bube sein, der seinen Vater niemals etwas zu bitten hätte,
und erst 'n halben Tag sichs hin und her überlegte, ob er's zum
äußersten wolle kommen lassen oder nicht. Wenn der Wunsch in—
wendig in dir dich nahe angeht, Andres, so wird er nicht lange an—
fragen, er wird dich übermännen wie 'n stark gewappneter Mann,
wird sich kurz und gut mit einigen Lumpen von Worten behängen
und am Himmel anklopfen.
Aber das ist eine andere Frage, was und wie wir beten sollen.
Kennt jemand das Wesen dieser Welt, und trachtet er ungeheuchelt
nur nach dem, was besser ist, denn hats mit dem Gebet seine gewiesenen
Wege. Aber des Menschen Herz ist eitel und thöricht von Mutter—
leibe an. Wir wissen nicht, was uns gut ist, Andres, und unser
liebster Wunsch hat uns oft betrogen! Und also muß man nicht
auf seinem Stück bestehen, sondern blöde und fein demütig sein
und dem lieber alles mit anheimstellen, ders besser weiß als wir.
Ob nun das Gebet einer bewegten Seele etwas vermag und wirken
kann, oder ob der natürliche Zusammenhang der Dinge dergleichen
nicht gestattet, wie einige Herren Gelehrte meinen, darüuber lasse ich
mich in keinen Streit ein. Ich hab' allen Respekt für den Zu—
sammenhang der Dinge, kann aber doch nicht umhin, dabei an
Simson zu denken, der den Zusammenhang der Thorflügel unbe—
schädigt ließ und bekanntlich das ganze Thoör auf den Berg trug.
Und kurz, Andres, ich glaube, daß der Regen wohl kömmt, wenn
es dürre ist, und daß der Hirsch nicht umsonst nach frischem Wasser
schreie, wenn einer nur recht betet und recht gesinnt ist.
Das „Vater Unser“ ist ein- für allemal das beste Gebet; denn
du weißt, wers gemacht hat. Aber kein Mensch auf Gottes Erd—
boden kann's so nachbeten, wie ders gemeint hat; wir krüppeln es
nur von ferne, einer noch immer armseliger als der andere. Das
schadet aber nicht, Andres, wenn wir's nur gut meinen; der liebe
Gott muß so immer das Beste thun, und der weiß, wies sein soll.
Weil du's verlangst, will ich dir aufrichtig sagen, wie ich's mit
dem „Vater Unser“ mache. Ich denke aber, es ist nur sehr arm—
selig gemacht, und ich möchte mich gerne eines Bessern belehren lassen.
Sieh, wenn ichs beten will, so denk ich erst an meinen seligen
Vater, wie der so gut war und mir so gerne geben mochte. Und
denn stell ich mir die ganze Welt als meines Valers Haus vor; und