Full text: [Stufe 4, [Schülerbd.]] (Stufe 4, [Schülerbd.])

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erquickenden Beere, keinen Baum zu einem Ruheplatz im Schatten. Für 
solche Genüsse müßte die Werste größer sein; doch deren Aufführung 
und Unterhaltung erfordert schon, so klein sie ist, mehr Kosten als das 
einfache Gebäude, das darauf steht. Auf der Ebene sproßt der Über¬ 
schwemmungen wegen kein fröhliches Gewächs, keine nährende Frucht. 
Sie ist eine Wüste, die freilich durch ihr fahles Grün, das noch dazu 
vielfach von schmutziggrau überschlickten Stellen unterbrochen wird, an¬ 
deutet, wie das genügsame Schaf hier wohl seine spärliche Nahrung 
finden mag, die aber keineswegs jenen frischen, duftigen Graswuchs 
kennt, in dem sich behaglich die fette Kuh hinstreckt, oder über den das 
wiehernde Roß mutwillig hin- und hersprengt. — Suchst du sprudelnde 
Quellen, die einen Labetrunk geben könnten, da wo die Sonnenstrahlen, 
ohne durch eine buschige Blätterkrone gebrochen zu werden, auf das 
matte Grasfeld brennen? Wohl findest du vom Wellenschlag zerrissene 
Ufer, — wohl tiefe Einbrüche des Meeres, die sich oft in langen 
Krümmungen weit ins Land hinein erstrecken, als wollten sie es in noch 
kleinere Stücke zerteilen, um ihrer leichter Herr zu werden, — wohl 
viele stehende Lachen, als Rest der letzten Überschwemmung, zur 
Erinnerung, daß das Land schon halb dem Ozean gehöre und ihm bald 
ganz zufallen werde, — aber Trinkwasser? Auf der Werfte wird ein 
Behältnis ausgegraben und ringsum mit Grassoden ausgesetzt; dahin 
mag sich Regenwasser von oben her sammeln oder von den Seiten 
durchsickern; es dient den Schafen zur Tränke und ihren Herren zur 
Bereitung des Tees, obwohl es von dem mit Meersalzteilen durch¬ 
drungenen Boden den widerlichsten Geschmack angenommen hat, der es 
für den nicht daran Gewöhnten ungenießbar macht. Vielleicht bringt 
auch gar einmal ein Boot ein Tönnchen Wasser mit vom festen Lande, 
und in Zeiten der Dürre kann solche Zufuhr zur dringendsten Not¬ 
wendigkeit werden. 
Eine Freude hat doch wohl der 'Halligbewohner: das muntere 
Treiben eines täglichen und reichlichen Fischfangs? Nein, nicht einmal 
den schönen Anblick eines in hellen, grünlichen Wellen flutenden Meeres 
hat er; ein widriges, trübes Gelb in Grau ist die gewöhnliche Farbe 
der Gewässer um ihn her, und vor dem Aufenthalt in einer Meeres¬ 
strecke, die bei der Ebbe stundenweit ihren Schlammboden aufdeckt, 
hüten sich die Fische und überlassen gern dem Seehund und der hä߬ 
lichen Roche allein das wenig einladende Gebiet. Und dieses Meer, 
das die Halligen umgibt und so oft überwogt, und das auf seinen 
verschiedenen Punkten nach dem Namen der im Laufe der Jahrhunderte 
darin begrabenen Landstellen und ihrer Eigner bezeichnet wird, dieses 
an Gaben so arme und an Raub so reiche Meer ist noch dazu fort¬ 
während ein Räuber, der bald mit langsamer, still untergrabender 
Macht, bald mit wild stürmender Gewalt ein Stück Land nach dem 
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