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I. Sänger und Gesangesmacht.
4. Der Graf von Habsburg. Ballade (1803).
Friedrich v. Schillers Werke, Hrsg, von Heinr.
1. Zu Aachen in seiner Kaiserpracht *),
Im altertümlichen Saale-),
Saß König Rudolfs heilige Macht»)
Beim festlichen Krönungsmahle?)
Die Speisen trug der Pfalzgraf des
Rheins »),
Es schenkte der Böhme des perlenden
Weins »),
Und alle die Wähler, die sieben7),
Wie der Sterne Chor um die Sonne
sich stellt»),
Umstanden geschäftig den Herrscher der
Welt,
Die Würde des Amtes zu üben?)
2. Und rings erfüllte den hohen
Balkon w)
Das Volk in freud'gem Gedränge;
Laut mischte sich in der Posaune Ton")
Das jauchzende Rufen der Menge;
Denn geendigt nach langem, verderblichem
Streit12)
War die kaiserlose, die schreckliche Zeit^»),
Und ein Richter war wieder auf Erden?^)
Nicht blind mehr waltet der eiserne
Speer 15),
Nicht fürchtet der Schwache, der Fried¬
liche mehr^),
Des Mächtigen Beute zu werden?")
3. Un der Kaiser ergreift den gold-
nen Pokal^»)
Und spricht mit zufriedenen Blicken:
„Wohl glänzet das Fest, wohl pranget
das Mahl19),
Mein königlich Herz zu entzücken;
Doch den Sänger vermiss' ich, den Bringer
der Lust '-0),
Der mit süßem Klang mir bewege die Brust
Und mit göttlich erhabenen Lehren.2*)
So hab' ich's gehalten von Jugend an,
Und was ich als Ritter gepflegt und
gethan22),
Nicht will ich's als Kaiser entbehren."
4. Und sieh! in der Fürsten umgeben¬
den Kreis
Trat der Sänger im langen Talare;
Ihm glänzte die Locke silberweiß,
Gebleicht von der Fülle der Jahre.2»)
„Süßer Wohllaut schläft in der Saiten
Gold 2^),
Der Sänger singt von der Minne Sold,
Er preiset das Höchste, das Beste,
Was das Herz sich wünscht, was der Sinn
begehrt2»);
Doch sage, was ist des Kaisers wert2»)
An seinem herrlichsten Feste?"
Kurz. Leipzig. Bibliogr. Institut. I, S. 475.
5. „Nicht gebieten werd' ich dem Sän¬
ger," spricht
Der Herrscher mit lächelndem Munde;
„Er steht in des größeren Herren Pflicht,
Er gehorcht der gebietenden Stunde.2 4")
Wie in den Lüften der Sturmwind saust,
Man weiß nicht, von wannen er kommt
und braust,
Wie der Quell aus verborgenen Tiefen:
So des Sängers Lied aus dem Innern
schallt2»)
Und wecket der dunkeln Gefühle Gewalt,
Die im Herzen wunderbar schliefen."29)
6. Und der Sänger rasch in die Saiten
fällt
Und beginnt sie mächtig zu schlagen»»):
„Aufs Weidwerk»*) hinaus ritt ein edler
Held,
Den flüchtigen Gemsbock zu jagen»2);
Ihm folgte der Knapp' mit dem Jäger¬
geschoß»»),
Und als er auf seinem stattlichen Roß
In eine Aue»H kommt geritten.
Ein Glöcklein hört er erklingen fern,
Ein Priester war's mit dem Leib des
Herrn»»),
Voran kam der Mesner»») geschritten.
7. Und der Graf zur Erde sich neiget
hin,
Das Haupt mit Demut entblößet,
Zu verehren mit gläubigem Christensinn,
Was alle Menschen erlöset.»?)
Ein Bächlein aber rauschte durchs Feld,
Von des Gießbachs reißenden Fluten
geschwellt»»),
Das hemmte der Wanderer Tritte;
Und beiseit legt jener das Sakrament,
Von den Füßen zieht er die Schuhe
behend,
Damit er das Bächlein durchschritte.
8. „„Was schaffst du?""»«) redet der
Graf ihn an,
Der ihn verwundert betrachtet.
„Herr, ich walle^9) zu einem sterbenden
Mann,
Der nach der Himmelskost schmachtet 41);
Und da ich mich nahe des Baches Steg,
Da hat ihn der strömende Gießbach
hinweg
Im Strudel der Wellen gerissen.
Drum, daß dem Lechzenden werde sein
Heil,
So will ich das Wässerlein jetzt in Eil'
Durchwaten mit nackenden Füßen."