226 II. Das Menschenherz in Lust und Leid: Vaterland und Freiheit.
2. Seid ihr, hochgeweihte Glieder,
Schon dem düstern Reich verfallen?
Haupt, um das die Locken wallen,
Sinkest du zum Schlummer nieder?
3. Sink in Schlummer! Aufgefunden
Ist das Ziel, nach dem du schrittest,
Ist der Kranz, um den du littest;
Ruhe labt am Quell den Wunden.
4. Auf, Gesang, vom Klagethale
Schweb empor zu lichten Hallen,
Wo die Siegeshymnen schallen,
Singe Tröstung dem Gemahle!
5. Sink an deiner Völker Herzen,
Du im tiefsten Leid Verlorner,
Du im Martyrium Erkorner,
Auszubluten deine Schmerzen.
6. Herr und König, schau nach oben,
Wo sie leuchtet gleich den Sternen,
Wo in Himmels weiten Fernen
Alle Heiligen sie loben!
B. An Luise, die Königin. (1810.) (Siehe Nr. 45 6.)
I. Vorbereitung. Die Besprechung der beiden Gedichte findet statt,
nachdem im Geschichtsunterricht das Lebensbild der Königin Luise den
Schülern vorgeführt ist.
II. Vermittelung des Verständnisses. A. Str. l. Inwiefern ist die
Königin Luise einer Rose zu vergleichen? Welcher Sturm hat sie ge¬
troffen? Was ist hier unter dem schreckenvollen Lose verstanden? Str. 2.
Warum werden die Glieder „hochgeweiht" genannt? Was ist unter dem
düstern Reich verstanden? Was deuten die Worte an: „Haupt, um das
die Locken wallen"? Str. 3. Welches Ziel ist aufgefunden? Was ist
unter dem Kranze, um den die Königin litt, verstanden? Str. 4. Was ist
das Klagethal, und was sind „die lichten Hallen"? Str. 5. Was heißt:
„Sink an deiner Völker Herzen"? Inwiefern war der König zum Märtyr-
tum erkoren? Str. 6. Warum leuchtet Luise gleich Sternen, und warum
loben sie alle Heiligen?
B. Str. 1. Was für Schreckenstage sind gemeint? Was heißt:
Luise trug „das Unglück mit der Grazie Tritt"? (Grazien waren die
Göttinnen der Anmut, die Huldinnen, von denen jede liebliche Gabe
stammt. Sie waren drei Schwestern: Euphrosyne, Aglüja und Thalia.
Ihr Name besagte, daß sie erfreuende, wonnespendende Gott¬
heiten waren, die, mit allem Liebreiz ausgestattet, als Ideale nicht nur der
körperlichen, sondern auch der sittlichen Schönheit galten.)
Str. 2. Was ist der „zerrissene Schlachtenwagen"? (Denk an die
Unglücksjahre von 1806/7!) Weshalb schritt die Schar der Männer zu
ihr? (Nach 1807 verkehrte die Königin bekanntlich öfter mit den großen
Staatsmännern, welche auf die Wiedergeburt Preußens durch Reformation
der verschiedensten staatlichen Einrichtungen vorbereiteten, wie Stein, Gneise-
nau, Scharnhorst re.) Wodurch war die Herzenswunde geschlagen? (In
dem bekannten Briefe an ihren Vater, welchen sie am 17. Juni 1807
nach der Schlacht bei Friedland von Memel aus absandte, schrieb Luise u.a.:
„Es ist aufs neue ein ungeheures Ungemach über uns gekommen, und wir
stehen auf dem Punkte, das Königreich zu verlassen. Bedenken Sie, wie
mir dabei ist.-Ich gehe, sobald dringende Gefahr eintritt, nach
Riga; Gott wird mir helfen, den Augenblick zu überstehen, wo ich über
die Grenze des Reiches muß. Da wird es Kraft erfordern." Welche Hoff-
