Die Volkstümlichkeit und die Größe Bismarcks. 277
das Tor des Kysfhäusers; die volle Poesie der Volkstümlichkeit um¬
fließt erst den getreuen Eckart. Und wenn in Abenddämmern dereinst
der Vater seinem Sohn erzählt, wer Bismarck gewesen, dann wird es
auch von ihm heißen, wie Goethe von seinem Eckart erzählt: „Die
Kinder, sie hören es gerne."
Wie um die Liebe, so ist es auch ein Eigenes um die Größe.
Als die letzte Kunde kam von dem stillen Eiland im Weltmeer, auf
dem Napoleon I. den Tiefgang seines Lebens betrauerte, da erzitterte
wohl auch die Menschheit in dem Bewußtsein, daß hier ein Riese der
Übermacht der Natur erlag; aber die Trauer des Äerzens hat gefehlt,
das letzte und wertvollste Zeichen menschlicher Größe. Wir haben
Gladstone scheiden sehen, den Mann, den die Söhne Englands so eifrig
sich beinühten unserem Bismarck zur Seite zu stellen. Auch er hat
manches Verdienst sich erworben um sein Äeimatland, und sein Name
wird sich dauernd vermählen mit der britischen Geschichte. Und doch
hat ein Teil seines Volkes und vor allem das ganze Ausland nur mit
kritikbereiter Gleichgültigkeit von seinem Scheiden vernommen, und nur
mühsam entsann man sich, wo die Wurzeln seiner Verdienste ruhen.
Metternich beherrschte einst durch sein zähes und großes System den
Kontinent von Europa. Gortschakoff träumte sich als Bismarcks
Meister. Gambetta verstand es, die Leidenschaftlichkeit seines Volkes
zu rüsten zu dem letzten verzweifelten Kampfe gegen Deutschlands sieg¬
reiche Äeere, E'avour und Viktor Emanuel haben Italiens Einheit in
rühmlichem Kampfe erfochten. Und doch, als sie das Ziel ihres Lebens
erreichten, hat der Werktag nicht sein Antlitz verändert. Kaiser und
Könige starben; der starken .Fand eines Nikolaus entfiel das Zepter,
der dritte Napoleon, der einst der Welt Gesetze zu geben sich unterfing,
zollte dem Schicksal bett letzten Tribut. Das Geheimnis der Größe,
die dem Lande Trauer einflößt, wenn sie scheidet, hat keinen von ihnen
allen umgeben. Was Metternich und Napoleott erlitten, daß sie die
Macht verloren, das tvar ja auch lange vor seinem Tode dent Fürsten
Bismarck beschieden. Die Sonne seiner gleichenlosen Erfolge war ver-
dtutkelt wordett dttrch den Schatten der kaiserlichett Ungnade, ttnd doch
blieb er, der er war. Ja, er wurde noch mehr: er wurde das lebendige
Gewissen seines Volkes, ttttd auch ein Kaiser, der sich stolz auf sich
selbst stellte ttnd im Vollbewußtsein seiner .Ferrscherkraft sein eigner
Kanzler wurde, zog an lichtem Frühlingstage nach Friedrichsruh, um
in dem einzigen Manne der Größe unserer Geschichte zu huldigen.
Die Größe läßt sich nicht bezwingen und nicht dekretieren, sie mttß
emporwachsen aus dent Bewußtseitt der Gesamtheit. „Was nennt man