Full text: [Oberstufe, [Schülerbd.]] (Oberstufe, [Schülerbd.])

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so wird dem Geliebten eine Birke auf das Grab gepflanzt, unter 
deren hängenden Zweigen die Hinterbliebenen alljährlich niederknieen 
und über sich das Rauschen und Flüstern der Blätter vernehmen, 
als brächten diese Kunde aus dem Grabe des Dahingeschiedenen. 
Wo wäre ein nordischer Baum, der so teilnähme an den Er¬ 
lebnissen des Menschen und ein so unermüdlicher Wohlthäter nor¬ 
discher Völkerschaften wäre als die Birke! 
Wenn der kurze, nordische Sommer einen heißen Sonnenschein 
sendet, so lagert das flüchtige Reh und das große Elentier im Schatten 
der Birkenwälder, und das prächtige Birkbuhn geht unter dem 
grünen Laubdach spazieren. Die reichbelaubten Birkenzweige bieten 
dem scheuen Vogel eine sichere Zufluchtsstätte, wo er sein Nest 
bauen, und ein unerschöpfliches Vorratshaus, aus dem er Speise für 
sich und feine Jungen holen kann; denn im Winter reichen sie ihm 
die Knospen, im Sommer die Blüten, im Herbst den Samen dar. 
Kühner und ausdauernder als die Fichte, steigt die Birke bis in die 
kältesten Regionen hinauf, sollte sie auch zuletzt zum Zwerg und 
Krüppel darüber werden; sie will als Zwergbirke noch den Nord¬ 
ländern wohlthun! Aus den Wurzeln dieses strauchartigen Baumes, 
welche so fein wie Haare sind, weben die Norweger allerlei Zeuge, 
und so wird ihnen der Verlust des wolletragenden Schafes oder 
nutzbaren Kamelhaares, womit andere Länder gesegnet sind, weniger 
fühlbar. Mit Recht besingen darum die Völker der Eis- und 
Schneeländer die Birke in ihren Liedern, wie unsere deutschen 
Dichter das Lob der Eiche singen. A. W. Grube. 
273. Die Saline in Lüneburg. 
Wenn der Fremde Lüneburg erreicht hat, den Knotenpunkt 
von 5 Bahnen, die Hamburg, Lübeck, Berlin, Hannover und 
Bremen mit ihm verbinden, und durch die Werke der Neuzeit, 
zwischen hohen Böschungen, durch Unterführungen, und über 
stattliche Brücken schreitend in die altertümliche Stadt tritt, 
so begrüßen ihn alte, über 30üjährige Backsteinhäuser, die 
der verheerende Sturm des dreißigjährigen Krieges unberührt 
gelassen hat, und deren Treppengiebel mit halbverloschenem 
Schmucke ernst in die Straßen schauen. Die Stadt lehnt 
sich an einen Abhang, der sanft zu dem westwärts gelegenen 
„Kalkberge“ hinansteigt. Wie eine Insel aus dem Meere, er¬ 
hebt sich der Gipsfelsen aus der Ebene und bietet eine stolze 
Umschau über das waldumsäumte Land. Die jenseitigen 
Elbufer zeichnen durch ihre gelbe Wand den Lauf des Flusses 
ab; auf ihnen breiten sich östlich die roten Dächer Lauen- 
burgs lachend aus, und im Nordwesten erheben sich die Türme 
des reichen Hamburgs. Zu den Füßen ruht die geschäftige 
Stadt, eingerahmt von Doppelreihen laubreicher Linden. Im 
Westen fällt „das Gebirge,“ einst von „gewaltigem Umfange,“
	        
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