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unwirtlichen Wüsten Syriens und Arabiens die Gefilde Kanaans, und
nur nach Westen zu senkt sich das Land gastlich und offen dem Meere zu.
Das Mittelländische Meer ist das einzige, welches den Hebräern
bekannt war; sie nannten es deshalb schlechthin das „Meer" und
„meerwärts" bedeutet in ihrer Sprache „nach Westen". An den steilen
Küsten von Tyrus und Ptolemais brechen sich die Wogen desselben in
tobender Brandung. Dagegen bildet die südliche Küste jenseits des
Karmels bis nach Gaza hinab nur einen ebenen, sandigen Landstrich,
an dem die Wellen sich ruhiger verlausen. Von Überschwemmungen
des Meeres hat man in Palästina keine Kunde. So bestätigt die
Beschaffenheit des Meeres die schöne Zuversicht der Weisen und Dichter
des Alten Bundes, daß Gott die Macht der Meeresgewässer in ihren
Grenzen erhalten und das bewohnte Land vor ihren Übergriffen schützen
werde. (Hiob 38, 8—11.) — Bäßler.
2. Der See Genezareth.
Dieser freundliche Landsee, welcher auch der galiläische oder
der See von Tiherias genannt wird, ist drei Meilen lang und bis
zu anderthalb Meilen breit. Er bildet eine der anmutigsten Land¬
schaften des heiligen Landes. Der runde Spiegel seines dunkel¬
blauen Gewässers blickt klar und glänzend zwischen den Bergen
hervor; darum nennt ihn der bildersinnige Morgenländer „das Auge
der Gegend“. Im Süden, wie im Norden begrenzen ihn fruchtbare
Ebenen; im Osten und Westen dagegen umschliessen ihn Hügel
und Berge von schönen Formen, aus ihren steilen, malerischen
Schluchten treten rasche Bäche hervor und ergiefsen sich in das
Becken des „Meeres von Galiläa“. Zuweilen bringen jäh aus diesen
Bergen hervorbrechende Zugwinde und Windwirbel das friedliche
Gewässer mit der Gewalt des schweizerischen Föhns in wilden
Aufruhr, der aber gewöhnlich sehr bald zur früheren Stille sich be¬
sänftigt. Der Reichtum des galiläischen Sees an trefflichen Fischen
ist sehr gross, sein Wasser rein, kühl und süss, sein Grund und sein
Ufer sandig. Klima und Erdreich der umliegenden Landschaft be¬
günstigen die Pflege der trefflichsten Südfrüchte, der Datteln, Citronen,
Pomeranzen, der Trauben und Melonen, wie den Anbau des Ge¬
treides und des Indigo, und bei grösserer Betriebsamkeit der Men¬
schen würde der tiefe Bergkessel dieses Sees ein natürliches Treib¬
haus sein, in welchem die edlen Gewächse Ägyptens und selbst
Arabiens gedeihen könnten. Dichter Baumwuchs und Buschwerk, mit
Saatfeldern wechselnd, umkränzt das nordwestliche Ufer; wie „ein
Morgenrot der Tiefe“ ergiefst sich das rosenfärbige Blütenmeer der
Oleanderbäume über Hügel und Thal; aus den Gebüschen ertönt
das Lied der Blaudrossel und der Nachtigall und aus den Felsen¬
höhlen von Magdala die Stimme der wilden Taube, die hier in
Scharen zu hunderten umherfliegt und an den stechapfelförmigen
Früchten der zahlreichen Nebek- oder Lotusbäume gute Kost hat.
In diesem gesegneten Seethale drängte sich sonst eine uner¬
messliche Volksmenge im rührigsten Verkehre. Blühende Städte und