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8. Die Turniere.
(Ein Kulturbild.)
Das Hauptvergnügen der Ritter waren die Turniere. Hierunter
verstand man feierliche Kampfspiele, welche den Rittern eine erwünschte
Gelegenheit gaben, Proben ihrer Tapferkeit und Gewandtheit abzulegen,
und so Ruhm und Beifall von einer schaulustigen Menge öffentlich
einzuernten. In Deutschland wurden sie gewöhnlich auf dem Markte
oder auf einem andern freien Platze in der Stadt gehalten, in Frank¬
reich aber vor den Thoren auf freiem Felde. Der Platz dazu war
mit doppelten Schranken umgeben. Ringsumher erhoben sich die Sitze
der Zuschauer. Besonders prachtvoll waren die Sitze für die Fürsten,
für die-Edelfrauen und andere angesehene Personen.
An dem festgesetzten Tage füllten sich früh alle Plätze mit Zu¬
schauem, die an Pracht und Aufwand einander zu übertreffen suchten.
Die alten Geschichtsschreiber erzählen recht ergötzlich von dem großen
Pompe bei diesen Aufzügen, von dem heftig schönen Schmucke
der Frauen, von den herrlichen Schaubühnen und Zelten. Das Schmet¬
tern der Trompeten und das Wirbeln der Pauken verkündete die An¬
kunft der Ritter. Auf schnaubenden Rossen in strahlender Silberrüstung,
mit wehenden Helmbüschen ritten sie in stattlichem Zuge stolz in die
Schranken. Hier hielten sie. Nun war alles Erwartung, alles Un¬
geduld. Ein Herold kündigte das Lanzenstechen an und ries mit lauter
Stimme diejenigen bei Namen aus, welche sich zuerst gegeneinander
versuchen sollten. Zuweilen erschien auch wohl ein Ritter mit ge¬
schlossenem Visier, der unbekannt bleiben wollte bis zu Ende des Festes.
Ein solcher wurde aufgerufen nach seinem Wappenschilde, z. B. Löwen¬
ritter, Drachenritter. Doch mußte er zuvor unter dem Siegel der
Verschwiegenheit den Kampfrichtern seinen Namen angegeben haben,
damit kein unritterlicher Mann sich zudränge. Trompeten gaben das
Zeichen zum Angriffe. Und aus ihren Schall tummelten die beiden
Gegner ihre Rosse und sprengten mit eingelegter Lanze in vollem Galopp
auseinander los. Die Spitze stand über des Pferdes linkes Ohr
hinaus, das Ende des Schaftes hielten sie fest unter dem Arme. Wer
gut traf und selbst fest im Bügel saß, warf durch den gewaltigen Stoß
seiner Lanze den Gegner entweder aus dem Sattel, oder er zersplitterte
seine Lanze an dem stählernen Brustharnische. Beides galt als Sieg.
Denn blieb die Lanze des Gegners unversehrt, so war das ein Zeichen,
daß er gar nicht oder nur schlecht getroffen hatte. Oft auch ver¬
tauschte der Ritter seine gebrochene Lanze mit einer andern; mancher
brach sogar fünfzig Lanzen an einem Tage. Nach denl ersten Kämpfer¬
paare wurde das zweite ausgerufen, dann das dritte, vierte, und so
ging es weiter, meist drei Tage, oft aber auch wochenlang. Manch¬
mal traten die Ritter scharenweise gegeneinander aus.
Den Beschluß der Ritterspiele machte die Verteilung des Dankes,
d. h. des Preises. Dieser wurde nach dem Ausspruche der Kampf¬
richter demjenigen Ritter erteilt, welcher sich am meisten ausgezeichnet
hatte. Er galt ebensoviel, als ein Sieg aus dem Schlachtfelde.