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und die Natur habe sein Kommen gefühlt und stehe bescheiden am Wege und
frohlocke. Claudius.
14. Der erste Flecken.
Wenn du durch den Kot der Straße mußt mit neuen Schuhen gehn,
Wirst du, trippelnd auf den Spitzen, nach den blanken Steinen sehn.
Sät sie erst beschmutzt ein Fleckchen, lernst du waten sicherlich,
üte, Kind, in deiner Seele vor dem ersten Flecken dich!
W. Müller.
3. Lob der heiligen Schrift.
Es ist ein Wort über alle Wörter, eine Schrift über alle Schriften,
ein Meisterstück des heiligen Geistes, ein Heiligtum Gottes, ein Heil-,
Trost- und Lebensbrunnen, dem es nie an Wasser fehlet, eine Schatz-
und Speisekammer, ein Zeughaus, eine vollständige Apotheke aller-
gläubigen Seelen. Es schicket sich für alle Zeiten, an allen Orten,
in allen Ländern, für alle Nationen, für alle Stände, für alle Per¬
sonen. Die Hohen finden darin eine übermäßige Hoheit, die sie nicht
erreichen, die Niedrigen eine Tiefe, die sie nicht ergründen, die Weifen
eine Weisheit, die sie nicht verstehen, die Redner Reden, die sie nicht
begreifen können; die Betrübten finden hier Trost, die Zweifelhaften
Rat, die Schwachen Kraft, die Alten einen Stab, die Jugend einen
Zügel, Riegel, Regel, die Kinder Milch, die Kranken Arznei, die
Sterbenden das Leben; der Teufel kann keinen Irrtum auf die Bahn
bringen, der hier nicht widerlegt, keine Knoten und Schleifen machen,
die hier nicht gelöset, keine Gewissensskrupel erwecken, denen hier nicht
begegnet, keine Anfechtung ersinnen, keine Herzensangst, keine Seelen¬
unruhe erregen, die hier nicht gestillet und abgethan wird. —
Christian Scriver, geb. 1629 zu Rendsburg in Holstein,
gest. als Oberhofprediger in Quedlinbnrg 1693.
4. Über den Katechismus.
(Aus den Tischreden.)
„Ich, wiewohl ich ein alter Doktor der heiligen Schrift bin, so
bin ich doch nicht aus der Kinderlehre kommen und verstehe die zehen
Gebote Gottes, den Glauben und das Vaterunser noch nicht recht;
ich kann's nicht ausstudieren, noch auslernen; aber ich lerne noch täg¬
lich dran und bete den Katechismum mit meinem Sohne Hansen
und mit meinem Töchterlein Magdalenen. Wer verstehet doch nur
durchaus und gründlich das erste Wort im Vaterunser, da wir sagen:
„der du bist im Himmel" ? Denn wenn ich diese wenig Wort ver¬
stünde und gläubete, daß Gott, der Himmel und Erden und alle
Kreaturen geschaffen hat und in seiner Hand und Gewalt hält, sei
mein Vater, so schlösse ich bei mir gewiß, daß ich auch ein Herr
Himmels und der Erde wäre; item: Christus sei mein Bruder, und
alles sei mein. Gabriel müßte mein Knecht und Rafael mein Fuhr¬
mann und alle Engel meine Diener sein in meinen Nöten; denn sie
wären mir von meinem himmlischen Vater zugegeben, daß sie mich
auf meinen Wegen behüteten, daß ich nicht irgend meinen Fuß an
einen Stein stoßen möchte.
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