Full text: [Teil 4, [Schülerbd.]] (Teil 4, [Schülerbd.])

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Die Verlobung aber ward im öffentlichen Mahl (d. i. in der Volks¬ 
versammlung) gehalten; daher das Wort „vermählen". Vielwei¬ 
berei war bei den alten Deutschen nicht zu finden, Keuschheit hoch¬ 
geehrt, die Ehe heilig; Ehebruch wurde für die größte Schande 
gehalten und als solche bestraft. Denn im Weibe ehrten sie etwas 
Heiliges und Gottverwandtes, die Frauen hatten die Gabe der Weis¬ 
sagung und waren so treu, daß sie die Gatten selten überleben moch¬ 
ten. Die Fülle der Kraft galt unseren Urvätern so hoch, daß sie 
kranke Kinder lieber umbrachten als zu Krüppeln heranwachsen ließen, 
und daß die Alten, wenn sie sich für nichts mehr tüchtig hielten, 
sich selber den Tod gaben. 
Nur der freie Mann war damals im Rechte, durfte langes 
Haar tragen und Waffen führen; Kriegsgefangene oder Eingebo¬ 
rene, die zur Strafe eines schändlichen Verbrechens oder in der 
Leidenschaft des Würfelspiels die Freiheit verloren hatten, standen 
als Leibeigene unter des Hausvaters Gewalt und bebaueten das 
Land, was dem Freien unwürdige Beschäftigung schien. Es waren 
aber die Freien entweder bloß Freie oder Edle (Adelinge) aus 
alten berühmten, besitzreichen Geschlechtern. Nur die Freien und 
Edlen traten zur Neumonds- oder Vollmondszeit unter den hei¬ 
ligen Bäumen zusammen, um des Volkes Wohl zu beratschlagen, 
Krieg zu beschließen und Recht zu sprechen. Waffengeklirr verkün¬ 
dete den Beifall, Murren das Gegenteil. Nie scholl auf jenen 
Mahlstätten eines Zwingherrn Machtwort; eifersüchtig wachten 
alle Freien, daß keiner aus edlen Geschlechtern allzu gewaltig 
werde und die Freiheit in Gefahr bringe; erst in späteren Zeiten 
entstand die Würde eines Königs (durch Wahl des Volkes), 
und selbst wenn der Sohn dem Vater in jener Würde erblich 
folgte, durch des Volkes Bestätigung. In Wehr und Waffen, 
als ging's zum Kampfe, traten die Freien und Edlen in die Ver¬ 
sammlung und sprachen offen und ehrlich, jeder wie es ihm ums 
Herz war. Wenn das Volk in Gefahr und der Krieg beschlossen 
war, so wählten sie den Tapfersten zum Führer des Heerzugs, ho¬ 
ben ihn jauchzend auf den Schild und begrüßten ihn als Herzog. 
Dieser ließ dann das Aufgebot zur Nationalbewaffnung 
(Heerbann) ergehen. Von Hof zu Hof verkündete es der „Heer¬ 
pfeil"; die Wehrmänner scharten sich, brachen auf und holten die 
Feldzeichen, die in den heiligen Hainen aufgehoben waren; auf 
Wagen folgten ihnen die Frauen mit den Kindern. Auf dem 
Schlachtfelde reihten sich die Männer eines Geschlechts, die Ge¬ 
meinden, die Gaue an einander; hinter den Kriegern die Frauen 
auf der Wagenburg. Der Angriff begann mit wildfreudigem Kriegs¬ 
geschrei und Gesänge, furchtbaren Ungestüms; der Kern war das 
Fußvolk; die Kecksten davon mischten sich unter die Reiter, hingen 
sich au die Mähnen der Rosse und stürmten so wie im Fluge mit 
voran. Auch zu lebendigen Keilen zusammengedrängt, gingen sie 
gern in die Schlacht; da weihten sich die Vordersten dem Tode. 
Sonst verstanden sie in den ältesten Zeiten nichts von den feinen
	        
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