Full text: [Teil 4, [Schülerbd.]] (Teil 4, [Schülerbd.])

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Listen der Kriegskunst; Angriff und Ringen, Mann gegen Mann, 
galt alles. Nicht die unwiderstehliche Wut beim Angriffe allein, 
ihr Anblick selber schreckte den dessen ungewohnten Feind. 
Denn noch größer machte die ohnehin schon riesigen Gestalten ihre 
Rüstung; als Helm trugen sie die Schädelhaut eines Tieres, 
woran die Hörner und Ohren stehen geblieben, als Mantel das 
Fell, dazu einen langen, bemalten Schild, hinter dem der Mann 
sich bergen konnte, der nervige Arm schwang die „Framea" (oder 
„Spathe"), einen Spieß mit gleißender Steinspitze, oder die lange 
Lanze, die Axt, die Keule, das Messer („Sachs"). Während die 
Männer fochten, walteten die Frauen wie Schicksalsgöttinnen in der 
Wagenburg, pflegten der Verwundeten, sangen den Ermatteten Mut 
ein, erdolchten die Feigen, die zurückflohen; und war alles verloren, 
so würgten sie ihre Kinder und sich selbst um verhaßter Knechtschaft 
zu entgehen. Siegten die Deutschen, so verteilten sie die Beute und 
die Gefangenen unter einander, dann aber zogen sie heim und opfer¬ 
ten einen Teil den Göttern. Mit dem Kriege aber hatte auch des 
Herzogs ganze Macht ein Ende. 
Eine andere Heerfahrt war die auf Abenteuer. Wenn 
dem Helden, dem Fürsten, dem Adeling die Ruhe des Friedens 
zu lange währte, oder wenn der Sohn eines Mannes, der im 
Kampfe sich Ruhm geholt, von Ungeduld glühte es dem Vater 
gleichzuthun, so berief der eine oder der andere die Rüstigsten des 
Stammes, daß sie seine Waffenbrüder würden und mit ihm aus¬ 
zögen auf kecke Abenteuer, aus Sieg, Ruhm und Beute. Da schwuren 
sie ihm, immerdar sein Geleite zu sein, sein „Gasindi", seine 
„Leute", und blieben, wohin er sie führte, wenn's nur ein ehrlich 
Werk war, in Not und Tod ihm getreu. Ewige Schande fiel auf 
den, der seinen Heerführer verließ; und siel dieser im Kampfe, so 
möcht' ihn kein Waffenbruder überleben. Gleichwohl ist aus solcher 
großen Treue, weil das Geleite (oder die „Gefolgschaft") 
den Herzog auch in Friedenszeiten nicht verlassen mochte und von 
ihm einen Teil der Beute und des eroberten Landes erhielt, dem 
Volke, das heißt den Freien, später die Macht der Edlen und die 
Herrschergewalt übers Haupt gewachsen, welche die ursprüngliche 
Volksfreiheit erdrückte. 
Wie die Freiheit gegen außen zu durch den Krieg gesichert 
ward, so waren im Lande selbst die einfache Verfassung und 
das Rechtswescn ihre sichersten Bollwerke. Grundlage der ältesten 
Verfassung war die Vereinigung einzelner Gemeinden zu größeren 
Volksgemeinden in einem Gaue, dessen Vorsteher — der Graf; 
den wählte das Volk, und, wo ein König gesetzt war, dieser. 
Gesamteigentum hieß Mark (Wald und Wild, Trift, Bach und 
Fisch, Vogel und Bienenschwarm umfassend), ihre Teilhaber 
Märker oder Markgenossen. Der Verfassung so wie dem 
Rechtswesen lag der Begriff von Gesamtbürgschaft zum 
Grunde. Die Freiheit gab den höchsten und ersten Anspruch 
auf den Genuß des Rechts, denn nur Freie wurden als Personen.
	        
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