Full text: [Teil 4, [Schülerbd.]] (Teil 4, [Schülerbd.])

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gehört wie Amen und Segen; ich für meinen Teil, wenn ich sie ansah, 
besonders beim dritten Teile oder der Nutzanwendung, bekam die erbau¬ 
lichsten Gedanken, zum Exempel: überhebe dich nicht; denn da steht ge¬ 
schrieben, wie viel Zinsroggen und Schoßhafer du geben mußt, oder auch 
so: wenn du draußen Lasten zu tragen hast, hier im Gotteshause bist du 
frei, und was dergleichen mehr war. Nun aber, als man auf die leeren 
Stellen sah, gingen die Gedanken immer wandern und suchten nach den 
Tafeln, und cs dauerte geraume Zeit, che und bevor die Menschheit 
wieder recht nach dem Pastor hinhörte." Er ging in sein Haus. — 
„Das ist ein alter Racker!" rief der Pferdehändler, als er seinen Han¬ 
delsfreund nicht mehr sah, indem er den lackierten Hut verdrießlich auf 
den Kopf stülpte. „Wenn der nicht will, so bringt ihn der Teufel nicht 
herum. Das Schlimmste ist, daß der Kerl die besten Pferde in der Ge¬ 
gend zieht, und sie im Grunde, so zu sagen, billig genug losschlägt." 
„Ein starres, widersinniges Volk hier zu Lande!" sagte der Re- 
ceptor; „ich bin erst vor kurzem aus Sachsen herversetzt und merke 
den Abstand. Dort wohnen die Leute beisammen, und deshalb müssen 
sie schon höflich und nachgiebig und bethulich mit einander sein. 
Aber hier sitzt ein jeder auf seinem Kampe, hat sein Holz, sein Feld, 
seinen Wiesenwachs um sich, als gäbe cs sonst nichts in der Welt. 
Darum halten sie auch so steif auf ihre Schnurren und Faxen, die 
doch anderwärts überall abgekommen sind. Was für Mühe habe 
ich schon mit den andern Bauern wegen der dummen Umschreibereien 
gehabt, aber dieser hier ist doch der schlimmste." 
„Das kommt daher, Herr Neceptor, weil er so reich ist", be¬ 
merkte der Pferdehändler; „mich wundert, daß Sie es mit den andern 
in der Bauerschaft ohne ihn durchgesetzt haben; denn der hier ist 
der General und Advokat und Notar und alles; sie richten sich in 
jeglicher Sache nach ihm; er bückt sich vor keinem. Vorm Jahre 
kam ein Prinz hier durch; wie er den Hut vor dem abnahm, war es 
wahrhaftig, als wollte er sagen: „„Du bist der, und ich bin der!"" — 
Der Mistfink! für die Stute sechsundzwanzig Pistolen haben zu 
wollen! Aber das ist das Unglück, wenn der Bauer zu viel Ver¬ 
mögen kriegt. Wenn Sie dort durch das Eichholz hindurch sind, gehen 
Sie eine geschlagene halbe Glockenstunde durch seine Felder. Und alles 
bestellt, daß cs nur so eine Art hat. Ich bin mit meiner Koppel 
vorgestern durch den Roggen und Weizen geritten, und ich will nicht 
ehrlich sein, wenn was anderes als die Köpfe von den Pferden über 
die Ähren hinübersahen. Ich dachte, ich würde ersaufen." 
„Woher hat er's denn?" fragte der Neceptor. 
„O!" rief der Pferdehändler, „da liegen hier mehrere solcher 
Höfeherum, man heißt sie Oberhöfe; wenn die nicht manchen Edel¬ 
mann ausstcchen, so will ich nicht Marx heißen. Das Erdreich ist 
von uralter Zeit zusammengeblieben. Und fleißig und sparsam ist 
der Nichtsnutz von jeher gewesen, das muß man ihm lassen. Sie 
sahen ja, wie er sich abäscherte, nur um den Schmied die paar 
Groschen Verdienst zu nehmen. Und blicken Sie nur um sich; ist 
cs denn hier nicht, als ob man bei einem Grasen wäre?"
	        
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