Full text: Länderkunde von Europa (Teil 3)

Anhang zu Teil III der Erdkunde für Mittelschulen 
von 
Dr. M. Geistbeck und Dr. A. Geistbeck. 
Die Bedeutung des Meeres für Europas) 
Allgemeines. Im Süden, Westen und Norden umflutet der Atlantische Ozean den 
europäischen Kontinent, dringt in zahllosen Buchten und Golfen tief in den Festlandkörper 
ein, lockert seine starren Massen auf und macht ihn zugänglich. Und unser Erdteil wieder 
streckt dem Meere seine Glieder, die zahllosen Inseln und Halbinseln, gleich Armen entgegen 
zur Aufnahme seiner wohltätigen Einwirkungen und der kulturellen Anregungen, die von 
den Gegengestaden ausgehen. Nirgends auf dem Erdball durchdringen sich Festland und 
Meere inniger als hier und aus der Vereinigung beider erwuchs den Völkern Europas schon 
frühzeitig reicher Segen an materiellen und geistigen Gütern, während die starre Abge¬ 
schlossenheit Afrikas, das einem Rumpfe ohne Glieder gleicht, seine Bewohner in ihrer Ab- 
sonderung von der übrigen Welt und damit in der Barbarei erhielt. Gar nicht zu überschätzen 
ist in der Tat der Segen des Meeres für unseren Erdteil. Wo Wasser, da Leben; 
ohne Wasser — der Tod. Im Atlantischen Ozean beginnt der Kreislauf des Wassers, 
dem Europa sein hohes Gedeihen verdankt. Die „braven Westwinde" mit ihrem sprichwörtlich 
„schlechten Wetter" tragen die vom Meere ununterbrochen aufsteigenden Wasserdämpfe ins 
Innere des Kontinents, wo sie sich an den Gebirgen abkühlen, verdichten und als Regen, 
Schnee und Hagel, als Tau und Reis niedergeschlagen werden und zahllosen Quellen das 
Leben geben. Diese aber sammeln sich zu Bächen, Flüssen und Strömen, durchziehen die 
Länder gleich Lebensadern wie das Blut den menschlichen Körper, um schließlich wieder in 
den Schoß des Meeres zurückzukehren. Ein Versiegen dieses Bornes wäre gleichbedeutend 
mit dem Absterben und Erlöschen des gesamten Natur- und Menschenlebens in Europa und 
das Antlitz des Erdteils würde jenes Bild der Erstarrung und entsetzlichen Ode gewähren, 
das die Mondoberfläche in so drastischer Weise bietet. 
x) Bei der hohen Bedeutung des Meeres für das wirtschaftliche und politische Leben der 
Völker und insbesondere des deutschen Volkes, worauf zuerst mit Nachdruck Friedrich List, 
Deutschlands größter Nationalökonom, hingewiesen hat, kann diese Betrachtung sehr wohl auch 
zur Einführung in die Geographie von Europa, also an den Anfang des Unterrichtes gestellt 
werden. Sie eröffnet den Schülern sofort weite Ausblicke und führt sie zugleich in fesselnder 
Weise in das Wesen der Erdkunde ein. 
III
	        
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