Full text: Ergänzungsband für Mittelschulen (Teil 4, [Schülerbd.])

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Zeit der Pest in dem Walde gefunden hatte. Siehst du, da bekam 
er ein Schloß, er bekam Felder, Wiesen, Wälder, Wirtschaften und 
Gesinde, und wie er schon in der Jugend verständig und aufmerksam 
gewesen war, so vermehrte und verbesserte er alles und wurde von 
seinen Untergebenen, von seinen Nachbarn und Freunden und von 
seinem Weibe geachtet und geliebt. Er starb als ein angesehener 
Mann, der im ganzen Lande geehrt war.“ 
Geb. 17. Juni 1810 
in Detmold. 
Ferdinand Freiligrath. 
Gest. 18. März 1876 
in Cannstatt. 
Die Tanne. 
1. Auf des Berges höchster Spitze 
Steht die Tanne, schlank und grün; 
Durch der Felswand tiefste Ritze 
Läßt sie ihre Wurzeln ziehn; 
2. Nach den höchsten Wolkenbällen 
Läßt sie ihre Wipfel schweifen, 
Als ob sie die vogelschnellen 
Mit den Armen wollte greifen. 
3. Ja, der Wolken vielgestalt'ge 
Streifen, flatternd und zerrissen, 
Sind der Edeltann' gewalt'ge, 
Regenschwangre Nadelkissen. 
4. Tief in ihren Wurzellknollen, 
In den faserigen, braunen, 
Winzig klein und reich an tollen 
Launen, wohnen die Alraunen, 
5. Die des Berges Grund befahren 
Ohne Eimer, ohne Leitern, 
Und in seinen wunderbaren 
Schachten die Metalle läutern. 
6. Wirr läßt sie hinunterhangen 
Ihre Wurzeln ins Gewölbe; 
Diamanten sieht sie prangen 
Und des Goldes Glut, die gelbe. 
7. Aber oben mit den dunkeln 
Asten sieht sie schön'res Leben; 
Sieht durch Laub die Sonne funkeln 
Und belauscht des Geistes Weben, 
8. Der in diesen stillen Bergen 
Regiment und Ordnung hält, 
Und mit seinen klugen Zwergen 
Alles leitet und bestellt, 
9. Oft zur Zeit der Sonnenwenden 
Nächtlich ihr vorübersaust, 
Eine Wildschur um die Lenden, 
Eine Kiefer in der Faust. 
10. Sie vernimmt mit leisen Ohren, 
Wie die Vögel sich besprechen; 
Keine Silbe geht verloren 
Des Gemurmels in den Bächen. 
11. Offen liegt vor ihr der stille 
Haushalt da der wilden Tiere. 
Welcher Friede, welche Fülle 
In dem schattigen Reviere! 
12. Menschen fern; — nur Rotwild⸗ 
stapfen 
Auf dem moosbewachs'nen Boden! — 
O, wohl magst du deine Zapfen 
Freudig schütteln in die Loden!
	        
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