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38. Als sie die Helden beide vor sich weinen sah,
Die geraubte Jungfrau sprach zu ihnen da:
„Ihr gehabt euch also bei dieser Trauermäre,
Ils ob die edle Gudrun euch verwandt, ihr guten Helden, wäre.“
39. Da sprach König Herwig: „Wohl traur' ich um die Maid,
Die mir verheißen wurde auf alle Lebenszeit.
Sie war mir zugeschworen mit Eiden fest und stäte;
Nun hab' ich sie verloren durch des alten Ludwig grimme Räte.“
40. „Ihr wollt mich betrügen,“ sprach die arme Magd.
„Von Herwigens Tode ward mir oft gesagt.
Die höchste Wonn' auf Erden sollt' ich in ihm gewinnen;
Wär' er noch am Leben, er hätte mich wohl geführt von hinnen.“
41. Da sprach der edle Ritter: „So seht meine Hand,
Ob Ihr dies Gold erkennet; Herwig bin ich genannt.
Mit diesem Mahlschatz sollt' ich Gudrunen minnen;
Seid Ihr die mir Verlobte, wohlan, ich führ' Euch minniglich von
hinnen.“
42. Wie nach der Hand sie schaute und nach dem Ringelein,
Da lag in dem Golde von Abalie der Stein,
Der beste, den sie je gesehn all' ihres Lebens Tage;
Einst hatt' ihn Gudrun, die schöne, selbst an der Hand getragen.
43. Sie lächelt' in der Freude; da sprach das Mägdelein:
„Das Gold erkenn' ich wieder, vor Zeiten war es mein.
Nun sollt Ihr dieses sehen, das mein Geliebter sandte,
Da ich armes Mädchen mit Freuden war in meines Vaters Lande.“
44. Wie nach der Hand er schaute und das Gold ersah,
Herwig der edle sprach zu Gudrun da:
Dich hat auch anders niemand als Königsblut getragen.
Nun hab' ich Freud' und Wonne gesehn nach langem Leid und bösen
Tagen.“
45. Er umschloß mit den Armen die herrliche Maid;
Was sie gesprochen hatten, gab ihnen Lieb' und Leid.
Auch bedeckt' er ihr mit Küssen den Mund, die niemand zählte,
Ihr und Hildeburgen, der vertriebnen Magd, der auserwählten.
46. Ortwein begann zu fragen die herrliche Maid —
Sie schämte sich darüber, es war ihr bitter leid —,
Ob sie nicht anders dienen könnten hier im Lande,
Als daß sie Kleider zu allen Zeiten wüschen am Strande.