Full text: Ergänzungsband für Mittelschulen (Teil 4, [Schülerbd.])

302 ÔÔÔννα Gustav Freytag c’*ν’νααανν 
— 
vielleicht weniger regelmäßig und sicher, galt zurzeit für die gewinn⸗ 
reichste Tätigkeit der Handlung. 
So bot der Verkehr des Tages dem neuen Lehrling eine Menge 
der verschiedensten Eindrücke, Menschen und Verhältnisse aller Art. 
Außer den Agenten der Seeplätze, welche fast täglich Warenproben 
brachten, und außer den Börsenmaklern, welche die Geldgeschäfte des 
Hauses vermittelten, Wechsel anboten und verkauften, zog durch das 
hordere Kontor vom Morgen bis zum Abend ein bunter Zug von 
allerlei Volkl. Da kamen Materialhändler aus der Provinz, alt— 
väterische Männer mit jeder Art von Mützen und jedem Grade von 
Bildung und Zuverlässigkeit; sie kauften, drückten die Hände und 
verlangten, als alte Freunde des Geschäftes behandelt zu werden; 
ferner Gutsbesitzer jedes Standes aus der Landschaft, welche die an— 
gebauten Handelsgewächse, Farbekräuter, Gewürze usw. anboten; dann 
polnische Juden, schwarzlockige Gesellen im langen seidenen Kaftan, 
bdie zuweilen einkauften, gewöhnlich aber die Produkte ihrer Länder, 
Wolle, Hanf, Pottasche, Talg, verkaufen wollten. Dazwischen kamen 
Bettler, Hilfesuchende aller Art, Geschäftsfreunde des Hauses, Fuhr— 
leute, welche ihre Frachtbriefe forderten, Auflader und Hausknechte, 
welche Aufträge erhielten oder die Aufträge anderer Geschäfte aus— 
richteten. Anton fand es sehr schwer, bei diesem ewigen Türöffnen 
und Durcheinandersprechen seine Gedanken zusammenzuhalten und die 
einfache Arbeit, die ihm aufgetragen war, zu vollenden. — 
Auch der Haushalt, dem Anton jetzt angehörte, erschien ihm sehr 
fremdartig und mächtig. Das Haus selbst war ein altes unregel— 
mäßiges Gebäude mit Seitenflügeln, kleinen Höfen und Hinterhäusern, 
voll von Mauern und kleinen Treppen, von geheimnisvollen Durch— 
gängen, wo kein Mensch welche vermutete, von Korridoren, Nischen, 
liefen Wandschränken und Glasverschlägen. Es war ein durchaus 
künstlicher Bau, an dem Jahrhunderte gearbeitet hatten, um ihn für 
späte Enkel so schwierig und unverständlich als irgend möglich zu 
machen. Und doch sah er, im ganzen betrachtet, behaglich aus und 
umfaßte mit seinen Mauern eine große Welt voll Menschen und 
Interessen. Der ganze Raum unter dem Gebäude und unter seinen 
Höfen war zu Kellern gewölbt und bis an die Gewölbgurte mit 
Waren gefüllt; das ganze Erdgeschoß gehörte der Handlung und 
enthielt außer den Kontorzimmern fast nichts als Warenräume. 
Darüber lagen im Vorderhause die Säle und Zimmer, in denen der 
Kaufherr selbst wohnte. 
Streng hielt dieser auf den alten Brauch seiner Handlung. 
Alle Herren des Kontors, die nicht verheiratet waren, wohnten in 
seinem Hause, gehörten seinem Haushalt an und aßen alle Mittage
	        
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