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betragen. So kann diese Einrichtung höchst segensreich wirken und manche
Familie vor Elend und Schande bewahren.
2. Die Unfallversicherung.
Die Unfallversicherung hat den Zweck, den Arbeiter für alle Unfälle,
die ihn in seinem Berufe treffen können, sofern sie nicht selbstverschuldete
sind, zu versichern. Ein Beispiel wird die Sache erläutern. An Bord des
am Hübener Quai liegenden Dampfers „Hellas" erlitt der Schauermann G.
beim Laden eines Fasses Ql einen doppelten Bruch des Unterschenkels und
eine Gehirnerschütterung. Zunächst hat nun die Krankenkasse, welcher der
Verunglückte angehört, 13 Wochen lang das Krankengeld an ihn zu zahlen.
Erst von diesem Termin ab erhält der Verletzte seine Versorgung aus der
Unfallversicherung. Die Höhe der Unterstützungssumme oder der Rente
richtet sich nach der Höhe des Arbeitslohnes. Der Schauermann G. hatte
die Woche 30 A oder im Jahre 1560 A verdient. Von dieser Summe
werden 1200 A voll (jeder Arbeitstag zu 4 A gerechnet) und die über¬
schießenden 360 A nur zu einen: Drittel, also mit 120 A, angerechnet.
Somit beträgt die Versicherungssumme des verunglückten G. 1320 A Von
dieser Summe erhält er 2/3, also 880 A, als jährliche Rente für die Dauer
seiner völligen Erwerbsunfähigkeit. Ist der Verletzte nach einiger Zeit wieder
im stände, seine ganze Arbeit oder einen Teil zu verrichten, so wird
ihm ein Teil der Rente gekürzt nach Maßgabe seiner Arbeitsfähigkeit.
Hätte der Verunglückte bei diesem Unfälle das Leben verloren, so würden seine
Witwe und die Kinder, letztere bis zum 15. Lebensjahre, eine jährliche Rente
erhalten haben. — Wer muß nun die Kosten dieser Unfallversicherung auf¬
bringen? Der Arbeitnehmer ist frei von jeder Zahlung; sie ist Sache der
Arbeitgeber. Zu diesem Zwecke haben sich die Arbeitgeber in allen gleichen
oder ähnlichen Berufsarten zu einer Genossenschaft zusammengethan. Man
spricht darum von Berufsgenoffenschaften und unterscheidet beispielsweise hier
in Hamburg die Baugewerks-Berufsgenossenschaft (Zimmerer und Maurer),
die Müllerei-Berufsgenossenschaft, die Leinen-Berufsgenossenschaft (Spinner
und Weber in den Jute- und andern Fabriken) u. s. w. Am Schluffe
jeden Jahres werden die sämtlichen Kosten, welche einer Berufsgenossenschaft
erwachsen sind, zusammengestellt und auf die Mitglieder verteilt, sodaß jeder
Arbeitgeber nach der Zahl seiner Arbeiter zu den Kosten der Unfallversicherung
beitragen muß. Die Aufsicht über sämtliche Berufsgenosienschasten führt
das Reichs-Versicherungsamt.
3. Die Alters- und Jnvaliditätsversicherung.
Es war im November 1887, als die deutsche Reichsregierung zuerst
mit einem Gesetz-Entwürfe über die „Alters- und Invalidenversicherung" an
die Öffentlichkeit trat. Dieses Gesetz wurde durch den Bundesrat und den
Reichstag eingehend besprochen und vielfach abgeändert. Daher kam es,
daß Kaiser Wilhelm I. die Einführung dieser wichtigen Einrichtung nicht
mehr erlebte; das Gesetz kam erst unter seinem Enkel, unserm jetzigen Kaiser,