Full text: [Teil 6, [Schülerbd.]] (Teil 6, [Schülerbd.])

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5. D Ortwin, trauter Bruder, 
o Herwig, teuerwert, 
was rauscht nicht euer Ruder, 
was klingt nicht euer Schwert! 
Umsonst zur Meereswüste 
hinspäh' ich jede Stund'; 
doch naht sich dieser Küste 
kein Wimpel, das mir kund. 
6. Ich weiß es: nicht vergessen 
habt ihr der armen Maid; 
doch ist nur kurz gemessen 
dem steten Gram die Zeit. 
Wohl kommt ihr einst zu sühnen, 
zu retten, ach, zu spät, 
wann schon der Sand der Dünen 
um meinen Hügel weht. 
7. Es dröhnt mit dumpfem Schlage 
die Brandung in mein Wort; 
der Sturm zerreißt die Klage 
und trägt beschwingt sie fort. 
O möcht' er brausend schweben 
und geben euch Bericht: 
„Wohl laß' ich hier das Leben; 
die Treue laß' ich nicht." 
Emanuel Geibel. 
25. Das Grab im Busento. 
1. Nächtlich am Busento lispeln bei Cosenza dumpfe Lieder; 
aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wieder. 
2. Und den Fluß hinauf, hinunter ziehn die Schatten tapfrer Goten, 
die oen Alarich beweinen, ihres Volkes besten Toten. 
3. Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben, 
während noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben. 
4. Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette; 
um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette. 
5. In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde, 
senkten tief hinein den Leichnam mit der Mstung auf dem Pferde. 
6. Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe, 
daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldengrabe. 
7. Abgelenkt zum zweitenmale, ward der Fluß herbeigezogen; 
mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen. 
2. Das Meer ist tief und herbe; 
doch tiefer ist die Pein, 
von Freund und Heimatserbe 
allzeit geschieden sein; 
doch herber ist's, zu dienen 
in fremder Mägde Schar, 
und hat mir einst geschienen 
die güldne Krön' im Haar. 
3. Mir ward kein guter Morgen, 
seit ich dem Feind verfiel; 
mein' Speis' und Trank sind Sorgen 
und Kummer mein Gespiel. 
Doch berg' ich meine Thränen 
in stolzer Einsamkeit; 
am Strand den wilden Schwänen 
allein sing' ich mein Leid. 
4. Kein Dräuen soll mir beugen 
den hochgemuten Sinn; 
ausduldend will ich zeugen, 
von welchem Stamm ich bin. 
Und so sie hold gebaren, 
wie Spinnweb acht' ich's nur; 
ich will getreu bewahren 
mein Herz und meinen Schwur.
	        
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