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und mich ärgerte, daß es nicht ausschlug, wie ich erwartete, sagte ich
mir: „Hast noch immer die goldene Repetieruhr im Kopfe?“ — Sehe
ich einen Mann, der im Staale oder sonst hoch hinaus wollte und nun
sich in Mißmut verzehrt, weil er in untergeordneter Stellung sein Leben
verbringen muß, möchte ich ihm zurufen: „Laß das Drücken am Heber,
es macht nicht ‚ bim, bam, sei froh mit dem einfachen Zeiger!“
Kurzum, in tausend Fällen habe ich von dieser Geschichte gelernt.
Die meisten Menschen können sich nicht dareinfinden und sind unglücklich,
weil es eben anders gekommen ist, als sie sich eingebildet hatten. Es
schadet nichts, wenn man nach dem Vollkommensten verlangt und trachtet,
im Gegenteil, das spannt unsere Kraft erst recht an; man muß sich's
dann aber auch wohl sein lassen, sich begnügen und bescheiden können,
wenn uns minder Vollkommenes zu teil wird.
Ich bin zufrieden mit dieser Uhr, und sie ist mir um keinen
Preis feil. B. Auerbach.
18. Vorbilder im Leben und Streben.
1. Albrecht Dũrer.
Dieser berühmteste aller deutschen Maler, der Held deutscher
Kunst, vwurde 1471 in der alten Reichsstadt Nürnberg geboren.
8ein Vater war ein geschickter Goldschmied. Schon als Knabe
liebte Albrecht mehr eine sinnige, ernste Beschäftigung als die
gerãuschvollen Spiele der Jugend, und oft sab er, während seine
beiden Brüder draußen im Freien herumtrollten, daheim im stillen
Kämmerlein vor dem Arbeitstische und suchte eine mathematische
Aufgabe zu lösen oder mit dem Stifte eine Zeichnung nachzubilden,
die sein kunstreichor Vater entworfen und ihm zum Nachzeichnen
vorgelegt hatte. So konnte es denn bei seiner seltenen natürlichen
Anlage nicht fehlen, dah er in kurzer Zeit bedeutende Fortchritte
im Zeiehnen machte; ja er fing sogar an, die Gebilde veiner
eigenen Phantasie, wie sie in seinem schöpferischen Kopfe auf
tauchten, mit bestimmten und festen Umrissen auf das Pergament
zu bringen.
Albrecht machte aber nicht blob im Zeichnen daheim, sondern
auch in der Schule, welche er besuchte, sehr schnelle Fortschritte.
Alle geine Lehrer liebten ihn, nicht nur vegen seines erstaunlichen
Hleihes, sondern aueh hauptsächlich seines sanften, zuvorkommenden
Wesens, seines tadellosen, frommen Benehmens halber.
Als er die Schule verließ, nahm ihn sein Vater zu sich in
die Lehre, damit er gleiech ihm ein tüehtiger foldbehmied verden
möchte. Albrecht legte frisch Hand ans Werk; aber still im Innern
hegte er den brennenden Wunsch, der Malerei sich widmen zu