298 Eine Sonnenfinsternis.
beiseite taten, in die Sonne und sah nichts als eine schwarze
Scheibe, über deren Ränder Feuertropfen zu quellen schienen.
Än der Seite der Scheibe, die zuerst dunkel geworden war,
flössen die Feuertropfen in kurzem zu einem dünnen Lichtband
zusammen, und schon glühte dieses Band so hell, daß man
die Gläser wieder vornahm. Ich schaute eifrig in mein Wasser
hinein. Da umschlangen mich die Ärme meiner lieben Mutter
von rückwärts, und ein tränenüberströmtes Gesicht drückte sich
an das meine, und ich hörte nur die erstickten Worte: „Wie
schrecklich, wie schrecklich! Mein Gott, laß cs nicht weitergehn!“
Mich fröstelte zwar noch etwas; aber ich verstand nichts von
dieser Angst und wollte gern im Wasser schauen, was sich
weiter begab. Doch meine Mutter zog mich an sich und herzte
mich wie ein Wicdcrgefundncs.
Rascher, als cs gekommen war, muß sich das Grau, das
die Menschen so erschreckte, wieder erhellt haben. Mein
Vater trat zu uns und bat meine Mutter, durch das Glas zu
sehn, wie die Sonne schon zur Hälfte wieder schien, und
zeigte, wie die Schatten der Bäume und der Menschen wieder¬
kehrten, wuchsen und tiefer wurden. Die Leute, die die Finster¬
nis von höher gelegnen Punkten beobachtet hatten, stiegen
herab, die meisten mit ernsten Mienen. Und als die Sonne
wieder fast ganz frei leuchtete und die Wolken zurücksanken,
die gegen sie, als sic schwach geworden, herausgewachsen
waren, schienen viele erleichtert aufzuatmen. „Gottlob, daß cs
vorbei ist! Es war doch ein schreckhaftes Ding! Gut, daß
wir unsre gute Herrgottssonne wieder haben!“ hörte man sagen.
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