Erlkönig. 305
Kein Damm, kein Feld! Nur hier und dort
bezeichnet ein Baum, ein Turm den Ort.
Bedeckt ist alles mit Wasserschwall;
doch Susdiens Bild schwebt überall. —
Das Wasser sinkt, das Land erscheint,
und überall wird schön Suschen beweint.
Und dem sei, wcr’s nicht singt und sagt,
im Leben und Tod nicht nachgefragt.
88. Erlkönig.
Johann Wolfgang Goethe.
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
er hat den Knaben wohl in dem Ärm,
er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.
„Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesidit?“
„Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
den Erlenkönig mit Krön’ und Schweif?“ —
„Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.“
„Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
manch bunte Blumen sind an dem Strand;
meine Mutter hat manch gülden Gewand.“
„Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
was Erlenkönig mir leise verspricht?“ —
„Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind!
In dürren Blättern säuselt der Wind.“
„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
und wiegen und tanzen und singen dich ein.“
„Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort?“ —
„Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau,
cs scheinen die alten Weiden so grau.“
Vaterländisdics Lestbudi. A. IV.
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