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Wellington nannte sie, dem eingeführten Gebrauche gemäß, nach dem
Hauptquartiere, welches er an dem Tage gehabt, die Schlacht von
Waterloo; Napoleon die von Mont-St. Jean; welcher dieser Namen
in der Folge vorherrschend bestehen wird, ist noch die Frage. Wem
die Ehre des Tages vorzugsweise gebühre, darüber ist viel gestritten
worden; in Betreff Blücher's dünkt uns der Streit unnütz: wem sie
zugesprochen, wie sie vertheilt werden möge, immer wird wahr und
fest bestehn, daß Blücher und die Preußen gethan, was hier erzählt
worden, und dies kann genügen. Blücher hegte für Wellington von
jeher ganz besondere Achtung und Zuneigung, und sein inniges Ver¬
trauen zu demselben hatte weder Groll wegen Ligny, wozu keine
Stimme befangenen Unmuths ihn gegen bessere Überzeugung aufreizen
gekonnt, noch dann Zweifel wegen Bellealliance in seiner Brust
aufkommen lassen; ihm fiel auch jetzt nicht ein, mit eifersüchtiger
Rechnung das gemeinsame Werk in seinen und seines Waffenbruders
Antheil scharf sondernd zu zerlegen. Wellington selbst aber schloß
seinen Bericht an den Prinzregenten von England mit den so ge¬
rechten als edlen Worten der Anerkennung: 'Ich würde nicht nach
meiner Überzeugung sprechen, wenn ich nicht dem Feldmarschall
Blücher und dem preußischen Heere das glückliche Ergebnis dieses
furchtbaren Tages beimäße, durch deren Beistand, welchen sie mit so
großer Bereitwilligkeit und so zur rechten Zeit mir geleistet haben?
Die Schlacht war gewonnen, aber die Arbeit noch keineswegs vollen¬
det. DaS Heer Wellingtons hatte furchtbar gelitten, die Menschen und
Pferde konnten nicht weiter. Die Preußen waren kürzere Zeit im Kgmpse
gewesen, die Anstrengung des Marsches karn nicht in Anschlag. Von dem
Nachdringen beider Heere ans derselben Straße fürchtete man überdies nur
Verwirrung; man kam deshalb überein, Wellington sollte, nach für erst
höchstnöthiger kurzer Rast, über Nivelles und Binch in Frankreich ein¬
rücken, während Blücher unmittelbar die Verfolgung Napoleons und seines
geschlagenen Heeres übernähme. Also noch in derselben Nacht giengBlücher
sofort nach Genappe, wo sein Vortrab den Feind, der sich anfangs verthei¬
digen wollte, um elf Uhr in der Nacht zu weiterer Flucht nöthigte. Der
Feind hatte sein meistes Geschütz aus dem Schlachtfelde stehen lassen, das mit
seinen Trümmern und Leichen bedeckt war. In Genappe war aufgehäuft,
was an Geschütz, Pnlverwagen, Gepäck und andern: Fuhrwerk noch ge¬
rettet worden; alles fiel hier den Preußen in dieHände, unermeßliche Beute,
Napolcon's eigne Feldrüstung, sein Silbervorrath, seine Edelsteine, der
Wagen selbst, in welchem er gefahren war, und den er beim plötzlichen
Geschrei, die Preußen seien da, ohne Hut und Degen eiligst verlassen
hatte, um sich aufs Pferd zu werfen. Die Kleinodien, das viele Geld
und andrer Besitz, verblieb den Soldaten; den Wagen Napoleons,
den kaiserlichen Mantel, sein Fernglas nahm Blücher an sich, Hut und
Degen und die Ordenssterne Napoleon's sandte er als Sieges¬
zeichen an den König. Die Verfolgung gieng unaufhaltsam fort.
Wie bei Genappe, so auch bei Quatre-Bras und weiterhin bei
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