Full text: [Theil 3, [Schülerbd.]] (Theil 3)

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Ich sah hier den Mond, Viviani, mit seinen Anhöhen und Thälern; 
ich sah die Gestirne der Milchstraße, der Plejaden und des Orion; 
ich sah die Flecken der Sonne und die Monde des Jupiter: alles, 
was ich hienieden zuerst sah, das sah ich dort besser mit unbewaff- 
netem Auge und wandelte am Himmel, voll Entzückens über mich 
selbst, unter meinen Entdeckungen, wie auf Erden ein Menschenfreund 
unter seinen Wohlthaten wandelt. Jede hier durchgearbeitete mühe¬ 
volle Stunde ward dort fruchtbar an Glückseligkeit, an einer Glück¬ 
seligkeit, die der nie fühlen kann, der leer all Erkenntnis in jene 
Welt tritt. Und darum will ich nie, Viviani, auch nicht in diesem 
zitternden Alter, aufhören nach Wahrheit zu forschen; denn wer sie 
hier suchte, dem blüht dort Freude hervor, wo er nur hinblickt, aus 
jeder bestätigten Einsicht, aus jedem vernichteten Zweifel, aus jedem 
enthüllten Geheimnis, aus jedem verschwindenden Irrthum. Siehe, 
ich fühlte dies alles in jenen Augenblicken der Wonne; aber auch 
nur dies einzige, daß ich es fühlte, ist mir geblieben: denn meine 
zu überhäufte Seele verlor jede einzelne Glückseligkeit in dein Meer 
ihrer aller. 
^Indern ich so sah und staunte und mich in dessen Größe 
verlor, der dies alles voll allmächtiger Weisheit schuf und durch seine 
ewig wirksame Liebe trägt und erhält, erhob mich das Gespräch 
meines Führers zu noch höher« Begriffen. — Micht die Grenzen 
deiner Sinne/ sagte er, Pnd auch die Grenzen des Weltalls, ob¬ 
gleich aus undenklichen Fernen ein Heer von Sonnen zu dir her¬ 
überschimmert: noch viele Tausende leuchten, deinem Blick unbemerkbar, 
im endlosen Äther; und jede Sonne, wie jede sie umkreisende Sphäre, 
ist mit empfindenden Wesen, ist mit denkenden Seelen bevölkert. 
Wo nur Bahnen möglich waren, da rollen Weltkörper, und wo nur 
Wesen sich glücklich fühlen konnten, da wallen Wesen. Nicht eine 
Spanne blieb in der ganzen Unermeßlichkeit des Unendlichen, wo der 
sparsame Schöpfer nicht Leben hinschuf, oder dienstbaren Stoff für 
das Leben; und durch diese ganze zahllose Mannigfaltigkeit von 
Wesen hindurch herrscht, bis zum kleinsten Atom herab, unverbrüch¬ 
liche Ordnung: ewige Gesetze stimmen alles von Himmel zu Himmel 
und von Sonne zu Sonne und von Erde zu Erde in entzückende 
Harmonie. Unergründlich ist für den unsterblichen Weisen in die 
Ewigkeit aller Ewigkeiten der Stoss zur Betrachtung, und uner¬ 
schöpflich der Quell seiner Seligkeiten. — Zwar was sag' ich dir 
das schon jetzt, Galilei? Denn diese Seligkeiten faßt doch ein Geist 
nicht, der, noch gefesselt an einen trägen Gefährten, in seiner Arbeit 
nicht weiter kann, als der Geführte mit ausdauert, und sich schon 
zum Staube zurückgerissen fühlt, wenn er kaum anfieng sich zu 
erheben!' 
<Er mag sie nicht fassen, rief ich, diese Seligkeiten, nach ihrer 
ganzen göttlichen Fülle; aber gewiß, er kennt sie, Copernicus, nach 
ihrer Natur, ihrem Wesen. Denn welche Freuden schafft nicht schon
	        
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