Full text: [Oberstufe, [Schülerband]] ([Oberstufe, [Schülerband]])

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S 
46. Das Gewitter. 
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind 
in dumpfer Stube beisammen sind; 
es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt, 
Grobmutter spinnet, Urahne gebückt 
sitzt hinter dem Ofen im Pfühl. — 
WVie wehen die Lüfte so schwül! 
Das Kind spricht: „Morgen ist's Peiertag, 
wie will ich spielen im grünen Hag, 
wie will ich springen durech Tal und Höh'n, 
wie will ich pflücken viel Blumen schön; 
dem Anger, dem bin ich hold!“ 
Hört ihr's, wie der Donner grollt? 
Die Mutter spricht: „Morgen ist's Peiertag, 
da halten wir alle ein fröhlich Gelag; 
ich selber, ich rüste mein Peierkleid; 
das Leben, es hat auch Lust nach Leid, 
dann scheint die Sonne wie Goldl“ — 
Hört ihr's, wie der Donner grollt? 
Großmutter spricht: „Morgen ist's Peiertag, 
Grobmutter hat keinen Peiertag: 
sie kochet das Mabhl, sie spinnet das Kleid, 
das Leben ist Sorg' und viel Arbeit; 
wohl dem, der tat, was er sollt'l“ — 
Hört ihr's, wie der Donner grollt? 
Urahne spricht: „Morgen ist's heiertag, 
am liebsten ich morgen sterben mag; 
ich kann nicht singen und scherzen mebr, 
ich kann nicht sorgen und schaffen schwer, 
was tu' ich noch auf der Welt!“ — 
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt? 
Sie hören's nicht, sie sehen's nicht, 
es flammet die Stube wie lauter Licht: 
Urahne, Grobmutter, Mutter und Kind 
vom Strahl miteinander getroffen sind. 
Vier Leben endet ein Schlag — 
Und morgen ist's Peiertag. 
Gustav Schwab.
	        
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