Full text: [Teil 2 = 7. u. 8. Schulj, [Schülerbd.]] (Teil 2 = 7. u. 8. Schulj, [Schülerbd.])

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ein wenig- gegen ihn das Haupt neigte. Mit Achtung und einer ge¬ 
wissen Scheu sah das Volk auch auf diese untergeordneten Diener einer 
neuen Regierungsweise. Und nicht die Schlesien allein. Es war damit 
überhaupt etwas Neues in die Welt gekommen. Nicht aus Laune nannte 
Friedrich II. sich den ersten Diener seines Staates. Wie er auf den 
Schlachtfeldern seinem wilden Adel gelehrt hatte, dass es höchste Ehre 
sei, für das Vaterland zu sterben, so drückte sein unermüdliches, pflicht¬ 
getreues Sorgen auch dem kleinsten seiner Diener im entlegenen Grenz¬ 
orte die grosse Idee in die Seele, dass er zuerst zum Besten seines 
Königs und des Landes zu leben und zu arbeiten habe. 
Als die Provinz Preussen im siebenjährigen Kriege gezwungen 
wurde, der Kaiserin Elisabeth zu huldigen, und mehrere Jahre dem 
russischen Reiche einverleibt blieb, da wagten die Beamten der Land¬ 
schaft dennoch unter der fremden Armee und Regierung insgeheim für 
ihren König Geld und Getreide zu erheben; grosse Kunst wurde ange¬ 
wendet, die Transporte durchzubringen. Viele waren im Geheimnis, 
nicht ein Verräter darunter, verkleidet stahlen sie sich mit Lebensgefahr 
durch die russischen Heere. Und sie merkten, dass sie geringen Dank 
ernten würden, denn der König mochte seine Ostpreussen überhaupt 
nicht leiden, er sprach geringschätzig von ihnen, gönnte ihnen ungern 
die Gnaden, die er anderen Provinzen erwies, sein Antlitz wurde zu 
Stein, wenn er erfuhr, dass einer seiner jungen Offiziere zwischen 
Weichsel und Memel geboren sei, und nie betrat er seit dem Kriege 
ostpreufsisches Gebiet. Die Ostpreussen aber liessen sich dadurch in 
ihrer Verehrung gar nicht stören, sie hingen mit treuer Liebe an dem 
ungnädigen Herrn, und sein bester und begeistertster Lobredner war 
Immanuel Kant. 
Wohl war es ein ernstes, rauhes Leben in des Königs Dienst, 
unaufhörlich das Schalken und Entbehren, auch dem besten war es 
schwer, dem strengen Herrn genug zu thun, auch der grössten Hin¬ 
gebung wurde ein kurzer Dank; war eine Kraft abgenutzt, so wurde 
sie vielleicht kalt beiseite geworfen; ohne Ende war die Arbeit, überall 
Neues, Angefangenes, Gerüste am unfertigen Baue. Wer in das Land 
kam, dem erschien das Leben gar nicht anmutig, es war so herb, ein¬ 
förmig, rauh, wenig Schönheit und sorglose Heiterkeit zu finden. Und 
wie der frauenlose Haushalt des Königs, die schweigsamen Diener, die 
unterwürfigen Vertrauten unter den Bäumen eines stillen Gartens dem 
fremden Gaste den Eindruck eines Klosters machten, so fand er im 
ganzen preussischen Wesen etwas von der Entsagung und dem Gehorsam 
einer grossen emsigen Ordensbrüderschaft. 
Denn auch auf das Volk selbst war etwas von diesem Geiste über¬ 
gegangen. Wir aber verehren darin ein unsterbliches Verdienst 
Friedrichs II. Noch jetzt ist dieser Geist der Selbstverleugnung das 
Geheimnis der Grösse des preussischen Staates, die letzte und beste 
Bürgschaft für seine Dauer. Die kunstvolle Maschine, welche der grosse 
König mit soviel Geist und Thatkraft eingerichtet hatte, sollte nicht
	        
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