Full text: [Teil 2 = 7. u. 8. Schulj, [Schülerbd.]] (Teil 2 = 7. u. 8. Schulj, [Schülerbd.])

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ertönt die Pfeife, und die Reise geht dem Ziele zu. Wochen weichen 
vorüber; eine Öde verliert sich wieder in der anderen in steter Ein¬ 
förmigkeit. Heiße Tage wechseln mit kalten Nächten ab. Am Tage 
geht der Müde im Schatten des Kamels; es wendet sich gegen ihn 
und leckt ihm die Hand; des Nachts erwärmt es ihn. Der ChamsinZ 
wälzt seine Gluten über die Ebene; das Kamel ist wieder dem 
Menschen Schirm vor diesem Ungeheuer. Eine grüne Landschaft 
spiegelt sich in den Lüften; in der Ferne glänzt ein See; die Oase 
ist erreicht! Vergebliche Hoffnung! Täuschung und Trugbilder sind 
es; die Landschaft, der See wird zur Steppe, über welche Salz¬ 
krystalle statt der Quellen ihren Glanz verbreiten. Die Wasser¬ 
schläuche werden leer, die Tage heißer, lästiger; die Schritte der 
Karawane erlahmen. Da wirst du, o treues Tier, nochmals der Retter 
deines Herrn; mit deinem Blute, mit deinem Leben erkaufst du ihm 
das seinige! Er stößt den Dolch in dein Herz, fällt, ein lechzender 
Tiger, über dich, trinkt dein Blut, erlabt sich an dem Wasser deines 
Magens und gewinnt Kraft, das blühende Gestade der Wüste zu erreichen. 
Das Kamel ist dem Araber geboren, sein Sklave, sein Reichtum 
von Abrahanis Zeiten her bis zum heutigen Tage. Es ist das Schiff, 
auf welchem er die Wüste durchzieht; es trägt ihn zu Mekkas, zu 
Medinas heiligen Tempeln, geleitet ihn durch die Wüste Sahara zu 
dem glänzenden Niger. Es hat die Zeichen der Sklaverei, die be¬ 
haarten Fetthöcker auf dem Rücken; Schwielen an Brust und Knie 
sind die Folgen seiner Arbeit, sowie die Ballen seiner kleinen, ge¬ 
spaltenen Hufe, die es schützen vor dem heißen Sande. Eine Mi߬ 
gestalt ist es, ohne Schmuck, ohne Anmut, halb Pferd, halb Schaf, 
mit gespaltener Lippe, mit kleinen, aufgestellten Ohren, mit langem, 
eingebogenen! Halse, dem Barte an Brust und Kinn, dem hageren 
Kreuze und kurzen Schweife. Auf hohen Beinen schreitet es daher, 
geht tagelang schwer beladen fort und ermübet nicht. Die Blätter 
der Disteln und stacheliger Gestrüppe sind seine Nahrung; es erlabt 
sich an dem Wasser der Cisterne und nimmt davon einen Vorrat 
auf die Reise mit; selten wird ihm ein Trunk aus frischem Quell zu¬ 
teil. Sich auf den Boden zu werfen und Lasten zu tragen, wird 
es nie abgerichtet; demütig und geduldig beugt es die Kniee vor 
seinem Tyrannen, damit er bequem es belade. Auf den Wink des¬ 
selben erhebt es sich und folgt ihm. Meyer. 
*) Der Chamsin (Wind der 50 Tage) ist ein heißer, auf die Gesundheit 
schädlich wirkender, im April und Mai auftretender Süd- oder Südostwind in den 
Nilländern. Der Samum (Gift) ist der gewöhnliche glühende Wüstensturm, der 
Massen von Staub und Sand mit sich führt, aber rasch vorübergeht. Sirocco 
heißt der drückend heiße und ermattende Südostwind in Unteritalien und auf 
Sicilien.
	        
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