Full text: [Teil 5, [Schülerband]] (Teil 5, [Schülerband])

70 
Große erbauen und Marmor und Säulen da;u aus Nom und Ravenna herbei¬ 
schaffen lassen— der Marmorstuhl Karls des Großen, der Erzthron des Reichs; 
hier versammelten sich die Großen aus allen deutschen Landen, erhoben Otto 
auf den Thron und gelobten ihm unter Handschlag Treue auf immerdar und 
Beistand gegen alle seine Widersacher. So huldigten sie ihm nach alter Sitte 
aus fränkischer Erde als Karls des Großen Nachfolger und König der Franken. 
Deshalb hatte Otto auch sein weites sächsisches Kleid mit dem knappen 
fränkischen Gewände vertauscht. Nur als Franke und auf fränkischem Boden, 
meinte man damals und hat man noch lange nachher gemeint, könne der 
neue König die Krone empfangen. In feierlichem Zuge, von den Herzogen, 
Grafen und Herren begleitet, begab sich dann Otto zum Münster. 
Wer nach Aachen kommt, wird dieselbe Kirche noch heute dort sehen. In 
der Gestalt eines Achtecks steigt sie zu mächtiger Höhe empor, und oben 
umkreist sie ein zwiefacher Umgang von Arkaden, welche mit Säulen geziert 
sind; in der Mitte aber auf dem Boden ist die Stelle bezeichnet, wo Kaiser 
Karl sein Grab gefunden. Die Gänge oben erfüllte damals dichtgedrängt 
das Volk, das von weit und breit zum großen Feste herbeigeströmt war. 
In dem Raume aber erwartete der Erzbischof Hildebert von Mainz mit allen 
Erzbischöfen, Bischöfen und Priestern, die sich eingestellt hatten, den jungen 
König. Als dieser an der Pforte erschien, schritt er ihm entgegen, den Krumm¬ 
stab in der Rechten, und führte ihn mit der Linken bis in die Mitte des 
Münsters, wo Kaiser Karls Grabstein liegt und Otto von allen Seiten 
erblickt werden konnte. Hier wandte er sich um und rief laut zu dem Volke: 
„Seht, ich führe euch Otto zu, den Gott zu eurem König erwählt, König 
Heinrich bestimmt und alle Fürsten erhoben haben! Gefüllt euch solche Wahl, 
so erhebt eure Rechte zum Himmel!" Alle erhoben die Hände, und donnernd 
hallte es in der Runde: „Heil und Segen dem neuen Herrscher!" 
Darauf schritt der Erzbischof mit Otto bis zum Altare vor, wo Schwert 
und Wehrgehenk, Mantel und Spangen, Scepter, Stab und Diadem, die 
Zeichen der königlichen Würde, bereitlagen. Zuerst nahm er Schwert und 
Wehrgehenk und sprach, zum Könige gewendet: „Nimm hin dies Schwert und 
triff damit alle Feinde des Herrn, Heiden und schlechte Christen! Denn 
darum hat dir Gottes Wille alle Gewalt über das Reich der Franken ver¬ 
liehen, daß die ganze Christenheit sichern Frieden gewinne." Dann ergriff 
er den Mantel mit den Spangen und legte ihm denselben an mit folgenden 
Worten: „Die Säume dieses Gewandes, die bis zur Erde herabwallen, sollen 
dich mahnen, bis ans Ende auszuharren im Eifer für den Glauben und in 
der Sorge für den Frieden." Und als er ihm Scepter und Stab überreichte, 
sprach er: „An diesem Zeichen lerne, daß du väterlich züchtigen sollst, die dir 
untergeben sind!" „Vor allem aber," fuhr er fort, „strecke deine Hand aus 
voll Barmherzigkeit gegen die Diener Gottes wie gegen die Witwen und 
Waisen, und nimmer versiege auf deinem Haupte das Öl des Erbarmens, auf daß 
du hier und dort die unvergängliche Krone zum Lohne empfangest!" Mit 
diesen Worten nahm er das Ölhorn, salbte ihn mit dem heiligen Öle, das die 
llHililBilii iliiiliili III TM IHIIIII II«W!I» li ,W>
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.