Full text: Deutsches Lesebuch ([Teil 3, [Schülerbd.]])

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und gerade, und der Lchnabel des Zperbers ist wie ein Haken 
scharf und krumm. Unser Rock ist ziemlich gleich; dach unser 
Gesicht ist verschieden. Die Krallen meiner Zehen sind schwach und 
stumpf,- diejenigen des Lperbers gleichen mörderischen Dolchen." 
Run, da wir ihn selbst uns besehen haben, ruft er doch 
wieder: „Guck, guck!" und da wir ihm einmal gefolgt sind, so 
schauen wir uns auch in seiner Wohnung ein wenig um. Draußen 
der grüne Wald ist sein Haus, jeder Daum ist ein Zimmer, jeder 
Dusch ist ein Kämmerchen. Unermüdlich streift er wie ein auf¬ 
merksamer Hauswirt den ganzen Tag durch seine Gemächer und 
sieht, ob alles in Ordnung ist. Doch zeigt er sich als ein Geiz¬ 
hals ; niemals nimmt er Besuche an. Sperlinge sitzen beisammen- 
Tauben schmausen in Gesellschaft, und die Enten segeln mit» 
einander über die klare Flut,- der Kuckuck aber mag am liebsten 
allein sein. Einsam fliegt er mit schnellen Klügeln durch das 
dichtere Waldtal und über den sonnigen Berg und späht, ob 
irgend ein fremder Kuckuck in sein Gebiet sich verirrt hat. 
Er betrachtet den Wald als sein Eigentum,- weder Mietsleute 
noch Gäste mag er leiden. Hört er den Ruf eines andern, und 
wenn es sein Bruder oder Vater wäre, so schreit er ihm ganz 
erbost zu: „Kuckuck! Liehst du nicht, daß ich hier der Herr bin? 
Flieh schnell aus meinem Gebiete!" Dann gibt's einen hitzigen 
Kampf,- die Federn fliegen umher; der Schwächste muß weichen 
und sich ein anderes Wäldchen zur Wohnung suchen. Doch wie 
es stets in der Welt ist: „Womit einer sündigt, damit wird er 
gestraft," so werden denn auch dem Kuckuck seine Unverträglichkeit 
und sein Jähzorn zum Fallstricke. Der Jäger und der Vogel¬ 
steller kennen seinen Gebrauch; sie ahmen mit dem Munde und 
der hohlen Hand oder mit einer besonderen Pfeife seinen Ruf 
täuschend nach,- dann vergißt er seine sonstige Vorsicht, kommt 
eilig herbei, um den fremden Gast aus seinem Hause zu treiben, 
— und bald hängt er in der künstlichen Schlinge oder fällt, 
tödlich getroffen durch die Büchse des Jägers. 
Doch warum ist er wohl so unverträglich? Es wird uns 
bald klar, wenn wir seinem Rufe gemäß noch weiter zusehen, 
was auf seine Tafel gelangt, was er zu Mittag und zu Rbend
	        
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