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und leckte seinem Herrn den Mund.
Dies wurmt’ den Esel Baldewein.
„Was Henker“, dacht’ er, „kann das sein,
daß unser Herr zu jeder Stunde
so schön tut mit dem faulen Hunde,
der ihn beleckt und an ihn springt,
indes man mich zur Arbeit zwingt?
Ich muß mich stets mit Säcken plagen;
zehn Hunde könnten das nicht tragen
samt unserm Hausherrn obendrein,
was ich hier schleppen muß allein.
Er schläft auf Flaum, frißt Herrenessen;
ich lieg’ auf Stroh, muß Disteln fressen;
wohin sie mich auch treiben oder reiten,
da leid’ ich Spott von allen Leuten.
Ich will nicht länger so verderben.“
Indem kam gleich sein Herr daher.
Das freut’ den dummen Esel sehr;
er fing an, seinen Schwanz zu rühren
und auszuschlagen mit allen vieren,
wobei er jauchzt’ und schnarcht’ und sang,
dem Hausherrn auf die Schultern sprang
und ihm, so wie der kleine Hund,
die Wangen leckte und den Mund.
Darüber schlug der plumpe Tropf
ihm ein paar Brauschen vor den Kopf,
daß er in seiner Angst und Not
rief: „Schlagt den groben Esel tot!“
Die Knechte jagten Knall und Fall
mit Prügeln ihn nach seinem Stall,
und Baldewein blieb, was er war.
3. Reineke Fuchs erzählt die Geschichte vo
Wolf und Kranich.
Der Wolf lief über Feld entlang
und fand daselbst ein totes Pferd,